Politische Berichte Nr.3/2023 (PDF)14
Aus Kommunen und Ländern

15 Jahre vergeblicher Kampf der Linken, sich in Schleswig-Holstein parlamentarisch zu etablieren

K-H.L (Einleitung). Die CDU ist trotz Verlusten mit 33,8 Prozent landesweiter Wahlsieger bei den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein. Für die SPD geht der Abwärtstrend mit 19,4 Prozent weiter. Die Grünen sind stärkste Kraft in der Landeshauptstadt Kiel, der Südschleswigsche Wählerverband gewinnt in Flensburg 24,8 Prozent und Die Linke kassiert mit 2,1 Prozent eine weitere Niederlage.

Meenhard Smit, bislang im Schleswiger Kreistag für die Linke aktiv, beschreibt in seinem Beitrag die für den Landesverband katastrophale Lage. Eine grundlegende Aufarbeitung, die eine positive Perspektive für die Partei in Schleswig-Holstein erhoffen lässt, wird den GenossInnen noch viel Kraft abverlangen.

Meenhard Smit, Flensburg*

01 In einer ersten Stellungnahme des Landesvorstandes zum Ergebnis der Kommunalwahl heißt es:

Zuvor einige Betrachtungen der Geschichte des Landesverbandes nach der Gründung 2007 um die parlamentarische Präsenz

2008 Kommunalwahl 6,9% Einzug in alle Kreistage und Vertretungen der kreisfreien Städte

2009 Landtagswahl 5,4% Damit gewinnt die Partei 5 Landtagsmandate.

2009 Europawahl 3,9% Keine Chance in Schleswig-Holstein auf ein Mandat, deshalb wenig Resonanz.

2009 Bundestagswahl 7,1% Der Landesverband erhält 2 Mandate. Cornelia Möhring und Raju Sharma ziehen In den Bundestag.

2012 Landtagswahl 2,4% (-3,0%)

Keine Landtagsfraktion mehr.

2013 Kommunalwahl 2,5% (-4,4%) Die nächste Niederlage. Etliche Fraktionen verlieren ihren Status.

2013 Bundestagswahl 4,1% (-3,0%) Nur Cornelia Möhring kommt in den Bundestag.

2014 Europawahl 4,5% (+0,6%) Die Partei scheint sich zu stabilisieren.

2017 Bundestagswahl 5,3% (+1,2%) Erneut bekommt der Landesverband 2 Mandate. Raju Sharma kann Platz 1 der Landesliste gegen Cornelia nicht gewinnen. Statt seiner zieht Lorenz Gösta Beutin in den Bundestag.

2017 Landtagswahl 3,8% (+1,5%) Zwar ein Stimmengewinn aber kein Mandat.

2018 Kommunalwahl 3,9% (+1,4%) Auch bei der Kommunalwahl steigt der Stimmenanteil und es entstehen neue Fraktionen.

2019 Europawahl 3,7% (-0,8%) Ab hier verliert der Landesverband an absoluter Glaubwürdigkeit.

2021 Bundestagswahl 3,6% (-1,7%) Der Zustimmungsgrad in der Bevölkerung sinkt weiter. Wieder nur ein Mandat, das an Cornelia Möhring geht.

2022 Landtagswahl 1,7% (-2,1%) Der Gebrauchswert sinkt weiter.

2023 Kommunalwahl 2,1% (-1,8%)

Etwas entscheidendes war kurz vor der Kommunalwahl geschehen. Dazu Folgendes aus der Sicht eines Kreistagsabgeordneten des Kreistages Schleswig-Flensburg.

Die Kreistagssitzung vom 14.12.2022, Kreis Schleswig-Flensburg, Top 12: Resolution Fraktionsstärke im Kommunalwahlrecht (Antrag der FDP-Fraktion)

„Wie bekannt ist, soll laut Gesetzesvorlage der Landesregierung (CDU, Grüne) die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Kommunal- und Kreisparlamente bestimmen sollen, ob eine Fraktion aus 2 oder 3 Abgeordneten bestehen soll. Damit wird entgegen der bisherigen Regelung, nämlich 2 Abgeordnete, den Mehrheitsfraktionen die Möglichkeit geschaffen den Einfluss von kleinen Fraktionen einzuschränken. Sie würden keine Fraktionsgelder erhalten, keine bürgerschaftlichen Mitglieder in die Ausschüsse entsenden können. Die Wähler würden dahingehend beeinflusst, dass sie nur Parteien wählen, die erwarten lassen, dass sie die Mindestanzahl von Abgeordneten erreichen. Damit wäre die demokratische Willens- und Entscheidungsbildung stark eingeschränkt.“

Während SSW, Die Linke und weitere Einzelabgeordnete die Resolution unterstützten, wurde sie nur in Teilen von Grünen und SPD geteilt. Der Fraktionsvorsitzende der SPD gab aber bekannt, dass die SPD einer Anhebung der Abgeordnetenzahl für eine Fraktion nicht zustimmen werde. Die CDU begründete ihre Ablehnung mit möglichen Weimarer Verhältnissen oder der Situation im dänischen Folketing mit 13 Parteien. (Ich stellte dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, Walter Behrens, die Frage: Fungerer den danske demokrati ikke? Funktioniert die dänische Demokratie nicht?)

Der Antrag wurde mit 19 Ja-Stimmen und 2 Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt.

Zu diesem Zeitpunkt konnte man davon ausgehen, dass die Gemeindevertretungen und Kreistage darüber beschließen können, ab wann eine Fraktion gebildet werden kann.

Dies wurde aber mit dem Beschluss der Mehrheit des Landtages bestehend aus CDU und Grünen geändert und damit die Anforderungen verschärft.

Somit wurde noch kurz vor der Kommunalwahl festgelegt, dass eine Fraktion erst bei mindestens 3 Abgeordnetenmandaten besteht.

Erreicht eine Partei nur 2 Mandate hat sie keine Möglichkeit bürgerschaftliche Mitglieder in die Ausschüsse zu senden. Es gibt keine Fraktionsaufwandsentschädigung mehr und keine Wahl für Kontrollorgane der Kommunalunternehmen.

Die mögliche Anmietung eines Büros für die Fraktionsarbeit ist ebenfalls ausgeschlossen.

Die andere Wahrheit

Ich habe versucht das Auf und Ab bei den verschiedenen Wahlen zu dokumentieren.

Die Zahlen selbst haben nur begrenzte Aussagekraft über das Wirken der Partei in Schleswig-Holstein.

Als wir mit 6,9% in 2008 in die Kreis- und Kommunalparlamente einzogen traf dieses auf eine Partei ohne parlamentarische Erfahrung. Und – es entwickelten sich schnell Begehrlichkeiten für Posten, die mit Geldtransfers verbunden waren. Es kam zu Streitigkeiten und schnell kam es zu Abspaltungen bis hin zu Auflösungen von Fraktionen.

Dies hat sich bis in jüngster Zeit ständig wiederholt.

Mit der Landtagswahl 2009 wurden 5,4% erreicht und es zogen 5 Abgeordnete in den Landtag. Bei der Kandidatenaufstellung für die Liste kam es nicht dazu, die qualifiziertesten Genossinnen und Genossen zu nominieren. Auf Grund von Positionierung und Absprachen mehrerer Kreisverbände konnte der damalige Landesvorsitzende keinen vorderen Listenplatz erreichen, obwohl er von allen Kandidatinnen und Kandidaten der geeignetste war.

Es zogen 5 Individualisten in den Landtag. Eine wirkliche kollektive Zusammenarbeit entwickelte sich nicht. Themen, die auch für die Kreis- und Kommunalpolitik von Relevanz sind, wurden nicht angepackt. Versuche für einen Arbeitskreis Kommunalpolitik verliefen im Sand.

Im gleichen Jahr dann die Bundestagswahl. In Schleswig-Holstein erreichten die Kandidaten Cornelia Möhring und Raju Sharma immerhin 7,1%.

Wer jetzt geglaubt hatte, dass die Landespartei in einem solidarischen demokratischen Prozess übergeht und die Einrichtung von Wahlkreisbüros den Erfordernissen der Parteientwicklung in der Fläche einordnet, der wurde eines „Besseren“ belehrt. Denn – es gab Versorgungsansprüche zu befriedigen. So wurden dort Büros eingerichtet, wo es den Abgeordneten „passte“. Kein Parteitag und kein Landesrat haben zur Parteientwicklung jemals einen Beschluss gefasst.

Das Personal, dass in den Büros angestellt wurde, war so gut wie nicht ausgebildet für diese Art der Tätigkeit. Die Versorgung von Genossinnen und Genossen aus Transferleistungen des Staates für parlamentarische Tätigkeit war vorrangig. Abhängigkeiten wurden geschaffen und Parlamentarier machten Parteistrukturen zu ihrem privaten Einflussbereich.

Alle zwei Jahre wurden auf den Landesparteitagen neue Leitanträge geschrieben, die nicht das Papier wert waren, auf dem sie standen. Es wurde appelliert, es wurde geschrieben, was wir machen sollten. Aber kein einziger Leitantrag beinhaltete Handlungszeiträume, Termine, Verantwortlichkeiten und Ziele. Man klopfte sich selbst auf die Schulter und vernachlässigte die Niederungen der Mitgliedschaft.

Nach dem der Landesverband nicht mehr im Landtag vertreten war, wurde ein bezahlter Parteientwickler ohne Konzept und ohne Diskussion vom Parteivorstand installiert.

Fazit: Es gab und gibt kein Parteientwicklungskonzept. Es gibt keine innerparteiliche Bildung. Es gibt keine Informationserfassung über die inhaltliche Tätigkeit in den Kommunalparlamenten.

Sowohl in Flensburg als auch in Schleswig sind die Parteibüros nicht mehr finanzierbar.

Der Niedergang der Landespartei ist zum größten Teil selbstverschuldet. Die Plakat-Kampagne zur Kommunalwahl mit den Plakatentwürfen des verlorenen Landtagswahlkampfes war kontraproduktiv.

Allein die Stellungnahme der Landessprecher zum Ausgang der Kommunalwahl ist ein Armutszeugnis. Die Bundesebene ist das Problem. Wer sind die Spalter? Wer sind die Erpresser? Wer stellt welche unhaltbaren Forderungen? Der Landesverband ist sauber und rein wie ein Neugeborenes?

Natürlich gibt es auch einen bundesweiten Aspekt, der die Aufweichung unseres Parteiprogrammes in Bezug auf Frieden, Antimilitarismus und Antiimperialismus beinhaltet. Der Bundesvorstand ist mit der Vorbereitung der Europawahl beschäftigt, siehe dazu die Einladung zu Regionalkonferenzen für die Erarbeitung des Europawahlprogramms.

Was interessiert schon die Niederung von Kommunalpolitik im Landesverband Schleswig-Holstein.

Glaubwürdige und verlässliche Politik sieht anders aus.

Wie man gewinnen kann, haben uns die Genossinnen und Genossen in Bremen gezeigt (gegen den „Trend“) oder man lernt ein wenig vom SSW, der Partei der dänischen Minderheit, die in der Stadt Flensburg zur stärksten Partei geworden ist mit 24,8% der Stimmen und 11 Mandaten.

* Meenhard Smit, Mitglied im Linke-Kreisvorstand Schleswig-Flensburg und Kreistagsabgeordneter Kreis Schleswig-Flensburg (bis Mai 2023)

01

In einer ersten Stellungnahme des Landesvorstandes zum Ergebnis der Kommunalwahl heißt es:

„Liebe Genoss*innen, wir haben allerorts wie die Löwen gekämpft. Leider hat sich das nicht überall ausgezahlt und wir haben eine herbe Niederlage zu verkraften. Viele von euch, auch wir, haben uns bis zuletzt ein anderes Ergebnis gewünscht und dafür gekämpft. So wurde munter und aufgeweckt Land auf und Land ab Wahlkampf gemacht.

Leider konnten wir uns vom Trend unserer Partei und den mannigfaltigen Problemen der Bundesebene nicht freimachen. Spaltungstendenzen, Erpressungsversuche und für Sozialist:innen unhaltbare Forderungen haben auch hier in Schleswig-Holstein sowohl Wähler:innen aber auch Genoss:innen verunsichert.

In einem ersten Schritt wollen wir im Landesvorstand am 16.05. um 17 Uhr gemeinsam Bilanz ziehen. Wir laden euch alle herzlich ein mit uns zu diskutieren, zu beraten und zu vereinbaren was nun nötige Schlüsse sind.

Für den Landesvorstand, Luca Grimminger & Susanne Spethmann

Abb. (PDF): Das Wahlergebnis, grafische Darstellung

Abb. (PDF): Walhlplakate, www.linke-sh.de/kommunalwahl