Politische Berichte Nr.05/2023 (PDF)26
Globale Debatten - UN Initiativen

Interessenkampf um die Ozeane

Ulli Jäckel, Hamburg

01 Das UN-Seerechtsübereinkommen (UNCLOS) von 1982
02 Kritische Phase im Kampf um den Tiefsee-Bergbau
03 Das Meeresschutz- Abkommen

Nachdem die territoriale Aufteilung der Kontinente nach dem Zweiten Weltkrieg weitgehend abgeschlossen war, lenkte die Entdeckung von Ressourcen in den Meeren und auf dem Meeresboden, sowie die Entwicklung von Technologien zu ihrer Ausbeutung die Bestrebungen insbesondere der industrialisierten Länder in diese Gebiete. Es drohte Ausweitung der „ocean frontier“, die Aneignung und Ausbeutung der Meere, die laut Grotius dem Gemeingebrauch aller offenstehen sollten, durch wenige technologisch fortgeschrittene Länder. Zugleich verstärkte sich der Kampf der ehemaligen Kolonien und anderer Länder des Südens um politische und ökonomische Souveränität.

In dieser Situation fand die dritte UN-Seerechtskonferenz von 1972 bis 1982 statt, die im Ergebnis einen Kompromiss fand zwischen der Ausweitung nationalstaatlichen Souveränitäts- und Wirtschaftsrechte vor den Küsten und des durch die internationale Gemeinschaft verwalteten „Gebiets“ der hohen See. Die Ausgestaltung dieser Aufgabe ist bis heute umkämpft. Aktuell stehen besonders die Frage des Tiefseebergbaus und die Politik der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) sowie der Schutz der maritimen Umwelt, für den sich die internationale Gemeinschaft in diesem Jahr auf ein UN-Meeresschutzabkommen geeinigt hat.

Abb. (PDF): https://meeresatlas.org/wp-content/uploads/2017/04/Meeresatlas2017_Infografik_S33.pdf

01

Das UN-Seerechtsübereinkommen (UNCLOS) von 1982

Mit dem UN-Seerechtsübereinkommen (UN-Convention on the Law of the Sea, UNCLOS) wurde 1982 die bis heute gültige völkerrechtliche Grundlage für das internationale Seerecht geschaffen. Zuvor beruhte es im Wesentlichen auf dem Grundsatz der „Freiheit der Meere“, der 1605 in einem Gutachten des Niederländers Hugo Grotius* aufgestellt wurde.

Mit der Industrialisierung und der wachsenden Bedeutung der Meere als Quelle von Ressourcen im 19. und 20. Jahrhundert stieß die Vorstellung von der Unerschöpflichkeit des Raumes und der natürlichen Ressourcen des Meeres, die dem Gemeingebrauch aller offen stünden, an ihre Grenzen. Nordseeanrainer schlossen 1882 einen Vertrag zur Regelung der Fischerei außerhalb der Küstengewässer, und der Völkerbund versuchte mit einer Konvention, die 1935 in Kraft trat, den industriellen Walfang zu beschränken, um die Ausrottung der Wale zu verhindern.

Die Dreimeilenzone des Küstenmeeres, innerhalb der die Küstenstaaten die volle Souveränität ausübten, wurde zuerst einseitig durch zwei Proklamationen von US-Präsident Truman 1945 auf die vor der Küste gelegenen Fischfanggebiete und auf die mineralischen Ressourcen des Kontinentalschelfs vor den Küsten der USA ausgedehnt. Südamerikanische Küstenstaaten folgten und beanspruchten zum Schutz ihrer Fischbestände die Jurisdiktion über ein bis zu 200 Seemeilen breites Gebiet vor ihren Küsten. Der Versuch Islands, seine eigene Fischfangzone auszuweiten, führte in den 50er bis 70er Jahren zu regelrechten „Kabeljaukriegen“ zwischen Island und Großbritannien und der BRD.

Diese Probleme konnten weder auf der ersten UN-Seerechtskonferenz 1958 (UNCLOS I), noch auf der zweiten 1960 (UNCLOS II) zufriedenstellend gelöst werden. Zugleich warfen die wachsende industrielle Fernfischerei sowie zunehmende Verseuchung durch giftige Abfälle und Ölrückstände neue Fragen auf. Das Wettrennen insbesondere der Industrieländer um Ölvorkommen auf dem Kontinentalschelf und die durch die Meeresforschung bereits Ende des 19. Jahrhundert entdeckten Mineralien auf dem Boden der Tiefsee z.B. in Form von Manganknollen entspann sich. Die Ausbeutung dieser Vorräte in mehr als fünf Kilometer Tiefe geriet technologisch in den Bereich des Möglichen. Es drohte die Kolonisierung des Meeresbodens durch einzelne Staaten.

In dieser Situation eröffnete der maltesische UN-Botschafter Pardo 1967 die Debatte um das internationale Seerecht neu: Er plädierte für ein internationales Regime für den Meeresboden, um seiner unkontrollierten Beanspruchung durch Industrie- und Küstenstaaten zuvorzukommen. Wie im 1967 verabschiedeten Weltraum-Vertrag und ähnlich wie im Antarktis-Vertrag von 1959 sollte der Meeresboden nur zu friedlichen Zwecken genutzt werden und zum „Gemeinsamen Erbe der Menschheit“ erklärt werden. Niemand sollte sich dieses Erbe aneignen können, die Nutzung und Erforschung sollte durch die Internationale Gemeinschaft verwaltet werden. Alle Staaten sollten gleichermaßen an den Gewinnen aus der Nutzung beteiligt werden. 1970 beschloss die UN-Generalversammlung unter maßgeblichem Einfluss der Entwicklungsländer eine Meeresgrundsatzerklärung, die diesen Prinzipien Ausdruck verlieh und berief die Dritte UN-Seerechtskonferenz ein, um zu einer umfassenden Revision des überkommenen Seerechts zu kommen.

Nach elf Verhandlungsrunden, die sich über zehn Jahre erstreckten, wurde schließlich am 10. 12. 1982 das UN-Seerechtsübereinkommen verabschiedet. Weitere zwölf Jahre sollte es dauern, bis es 1994 in Kraft treten konnte. Heute umfasst es 169 Vertragsparteien.

Es enthält Regelungen zum

– Küstenmeer (12 Seemeilen) und der Anschlusszone (24 Seemeilen)

– den Meerengen, die der internationalen Schifffahrt dienen

– den Archipelstaaten

– zur ausschließlichen Wirtschaftszone

– zum Festlandsockel

– zur Hohen See

– zur Ordnung der Inseln

– zum Recht der Binnenstaaten auf Zugang und der Transitfreiheit.

Die Verwaltung des Tiefseebodens wird unter der Überschrift „Das Gebiet“ (area) geregelt.

Dazu wurde eine Internationale Meeresboden-Behörde (International Seabed-Authority, ISA) gebildet, die ihren Sitz in Kingston/Jamaica hat.

Weiter stellt das Übereinkommen Grundsätze zum Schutz und zur Bewahrung der Meeresumwelt, zur wissenschaftlichen Meeresforschung und zum Technologietransfer auf.

Zur Beilegung von Streitigkeiten dient vor allem der Internationale Seegerichtshof mit Sitz in Hamburg.

* Hugo Grotius (1583-1645) verfasste 1604/05 ein Rechtsgutachten für die Vereenigde Oostindische Compagnie, aus dem zu seiner Zeit nur ein Kapitel, ‚Mare liberum‘, veröffentlicht wurde. Hierin verteidigt Grotius das Recht des jungen niederländischen Staates auf freie Schifffahrt und freien Handel und weist den Anspruch der Spanier, Portugiesen und Engländer auf ein Monopol im Kolonialhandel zurück, indem er den Rechtsgrundsatz formuliert, dass niemand ein Eigentum an den Meeren beanspruchen dürfe und diese folglich allen Nationen als internationale Gewässer für die Handelsschifffahrt zur Verfügung stehen müssten. Ergänzt um die Einschränkung der sog. Dreimeilenzone wurde ‚Von der Freiheit des Meeres‘ zur Grundlage für das internationale Seerecht.

Hugo Grotius: Von der Freiheit des Meeres, Reprint der Ausgabe Leipzig 1919, Hamburg: Felix Meiner Verlag 2017

Quellen: • https://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:1998:179:0003:0134:DE:PDF • https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=UN-Seerechtsübereinkommen&oldid=237453077 • https://www.presidency.ucsb.edu/documents/proclamaton-2668-policy-the-united-states-withrespect-coastal-fisheries-certain-areas • https://www.presidency.ucsb.edu/documents/proclamaton-2667-policy-the-united-states-withrespect-the-natural-resources-the-subsoil • https://documents-dds-ny.un.org/doc/UNDOC/GEN/N23/191/22/pdf/N2319122.pdf?OpenElement, (Report on the work of the United Nations Open-ended Informal Consultative Process on Oceans and the Law of the Sea at its twenty-third meeting) • Johanna Sackel, Wem gehört das Meer? • Globale Ressourcen und die dritte UN-Seerechtskonferenz (1968-1994), Berlin, Boston: De Gruyter Oldenbourg 2022

Abb. (PDF): Logo UNCLOS

Abb. (PDF): https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/c/ce/Die_Definition_der_unterschiedlichen_Meereszonen_im_Seevoelkerrecht.svg/1024px-Die_Definition_der_unterschiedlichen_Meereszonen_im_Seevoelkerrecht.svg.png

02

Kritische Phase im Kampf um den Tiefsee-Bergbau

Gemäß den Bestimmungen des UN-Seerechtsübereinkommens werden die ozeanischen Gebiete außerhalb der exklusiven Wirtschaftszonen der Küstenstaaten und der von ihnen beanspruchten Kontinental-Schelfe von der Internationalen Meeresboden-Behörde (ISA) verwaltet. Diese hat bisher fünf Gebiete ausgewiesen, in denen Staaten die Lizenz zur Erforschung und Exploration beantragen können: Zwei im Indischen Ozean für polymetallische Sulfide (PMS) (Diese bilden sich an thermischen Quellen entlang von tektonischen Bruchlinien) und Manganknollen (Polymetallic Nodules, PMN); eine im nordwestpazifischen Ozean für PMN und kobaltreiche Ferromangan-Krusten (CFC). Das größte zusammenhängende Gebiet ist die Clarion-Clipperton-Zone zwischen Mexiko und Hawaii, in der bereits 18 Staaten Lizenzen zur Erforschung der Manganknollen-Vorkommen erworben haben. Außerdem gibt es noch die Mid-Atlantic-Ridge-Zone, in der drei Staaten die Lizenzen zur Exploration von Polymetallischen Sulfiden haben. Insgesamt hat die ISA 19 Kontrakte über Manganknollen, sieben über PMS und vier über CFC abgeschlossen. Deutschland hat die Lizenz für ein Gebiet im Indischen Ozean (PMS) und eines in der Clarion-Clipperton-Zone (PMN) erworben.

Seit ihrer Gründung 1994 arbeitet die ISA, der 167 Staaten angehören, an einem Regelwerk als Voraussetzung für die endgültige Genehmigung von Tiefsee-Bergbau, dies ist aber noch nicht zu einem Abschluss gekommen. Die Staaten, die sich Lizenzgebiete gesichert haben, dürfen so lange noch nicht die Förderung aufnehmen. Problematisch ist, dass im Juli 2021 der Inselstaat Nauru eine Klausel nach dem Seerechtsabkommen auslöste, wonach binnen zwei Jahren ein klares Regelwerk stehen muss, wenn ein Land Tiefseebergbau betreiben will. Nauru will dafür mit einer Tochterfirma der kanadischen Metals Company kooperieren. Die ISA müsste sich nun ohne Regelwerk mit einem konkreten Antrag auf eine Lizenz zum Abbau befassen und könnte dafür auch grünes Licht geben.

Dagegen laufen Umweltorganisationen, Teile der Fischereiindustrie, zahlreiche Wissenschaftler und einige Staaten Sturm. Sie fordern ein Moratorium oder einen Stopp des Tiefseebergbaus. Im März dieses Jahres haben die 36 zum Rat der ISA gehörenden Staaten erklärt, dass ohne Mining-Code keine kommerzielle Ausbeutung stattfinden dürfe.

„Wir wissen noch sehr wenig über die Ökosysteme der Tiefsee, aber das, was wir wissen, gibt Anlass zu größter Vorsicht. Die Genehmigung von Tiefseebergbau, ohne die Umweltauswirkungen quantifizieren zu können, würde zu einem dramatischen Verlust der Artenvielfalt und zu irreversiblen Umweltschäden führen, darunter das Aussterben von Arten, die Zerstörung von Lebensräumen, Sedimentstürme, Abwasserentsorgung, Lärm und Lichtverschmutzung“, sagt Nicolas Entrup, Direktor für internationale Zusammenarbeit bei OceanCare, und fügt hinzu, dass „diese zerstörerische Aktivität die Tiefsee-Ökosysteme und die Lebensgrundlage derjenigen, die auf einen gesunden Ozean angewiesen sind, für kommende Generationen schädigen würde“.

Die pazifischen Inselstaaten sind in der Frage des Tiefseebergbaus gespalten. Während Papua-Neuguinea und Fidschi, Palau und Vanuatu – wie auch Neuseeland – für ein Moratorium eintreten, hoffen kleine Inselrepubliken wie Nauru und die Cook-Inseln durch das Sponsoring von Lizenzen für Internationale Bergbau-Konzerne auf wirtschaftliche Gewinne und die Sanierung ihrer Staatsfinanzen.

Die Pacific Parliamentarians‘ Alliance on Deep Sea Mining (PPADSM) ist ein Zusammenschluss führender Politiker aus dem Pazifikraum, die sich angesichts des Ansturms großer Unternehmen, die von mächtigen Regierungen unterstützt werden, um den Meeresboden nach Mineralien abzubauen, bevor Regulierungsstrukturen und -maßnahmen eingeführt sind, für den Schutz der Ozeane einsetzen:

„a) Wir rufen dazu auf, anzuerkennen, dass der Ozean unser gemeinsames Erbe ist und dass wir als Staats- und Regierungschefs eine gemeinsame Verantwortung und moralische Verpflichtung für seinen Schutz haben;

b) wir rufen alle Staats- und Regierungschefs des pazifischen Raums und der Welt auf, sich der wachsenden Zahl von Regierungen, wissenschaftlichen Behörden, zivilgesellschaftlichen Organisationen, globalen Führungspersönlichkeiten und indigenen Völkern in der ganzen Welt anzuschließen, die sich gegen die überstürzte Ausbeutung des Meeresbodens wenden;

c) die Forderung einiger pazifischer Regierungen zu unterstützen, dass Deep Sea Mining-Aktivitäten in Ländern der pazifischen Region dringend ausgesetzt werden müssen, um ein besseres wissenschaftliches Verständnis der möglichen Auswirkungen von DSM zu ermöglichen;

d) die wachsende internationale Forderung nach einem Moratorium für DSM im Einklang mit der UN-Dekade „Ozeanforschung für nachhaltige Entwicklung“ zu unterstützen, um wissenschaftlich zu bewerten, ob DSM in einer Weise durchgeführt werden kann, die Schäden an den Ökosystemen der Ozeane vermeidet, wobei die Vernetzung dieser Ökosysteme über die nationalen Gerichtsbarkeiten hinaus anerkannt wird;

e) alle Staaten nachdrücklich aufzufordern, im Einklang mit dem Vorsorgeprinzip und zur Unterstützung einer faktengestützten Politikgestaltung einen Ansatz zu verfolgen, bei dem die wissenschaftlichen Erkenntnisse überprüft werden, um zu entscheiden, ob DSM-Aktivitäten auf der Grundlage einer vereinbarten Governance-Struktur und von Vorschriften, die die Einbeziehung solcher Maßnahmen unterstützen, fortgesetzt werden sollten oder nicht.“

Zugleich kritisieren Wissenschaftler, dass es den Entscheidungen der ISA an Legitimität mangelt: „Um die sozialen Auswirkungen von DSM zu berücksichtigen und anzugehen, ist es notwendig, eine vielfältige Gruppe von Interessengruppen in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. Gegenwärtig sind die Hauptakteure die ISA-Staaten, Bergbauunternehmen und Beobachter, von denen einige Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind, darunter Umwelt-NGOs und Forschungseinrichtungen. Insbesondere gibt es derzeit keine Beobachter, die indigene Völker und lokale Gemeinschaften (IPLCs) oder Fischereiinteressen vertreten, und nur wenige Vertreter, die den globalen Süden vertreten.“

(„Deep seabed mining lacks social legitimacy“, npj Ocean Sustainability (2023) 2:1; https://doi.org/10.1038/s44183-023-00009-7

Andere fordern eine „Führungsrolle für die tropische Mehrheit“:

„Die Mehrheit der vom Meer abhängigen Menschen auf der Welt leben in Ländern mit niedrigem bis mittlerem Einkommen in den Tropen (d. h. in der „tropischen Mehrheit“). Dennoch wird die Agenda der Meerespolitik weitgehend auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen, Finanzmitteln und Institutionen aus einkommensstarken Ländern der gemäßigten Zonen bestimmt. Diese von außen gesteuerten Ansätze untergraben die Gerechtigkeit und Wirksamkeit der derzeitigen Lösungen und behindern die Führungsrolle der tropischen Mehrheit, die gut positioniert ist, um evidenzbasierte und kontextspezifische Lösungen für die Herausforderungen der Ozean-Nachhaltigkeit zu entwickeln. Hier führen wir verschiedene Perspektiven aus den Tropen zusammen, um vier Maßnahmen für einen tiefgreifenden Wandel vorzuschlagen, die auf Perspektiven, Erfahrungen und Wissen aus den Tropen basieren: 1. Gerechtigkeit in den Mittelpunkt der Meerespolitik stellen, 2. Menschen und Meer wieder miteinander verbinden, 3. eine neue Definition von Meereskompetenz und 4. Entkolonialisierung der Meeresforschung.“

(„Engaging the tropical majority to make ocean governance and science more equitable and effective“, npj Ocean Sustainability (2023) 2:8; https://doi.org/10.1038/s44183-023-00015-9

Quellen: • https://www.isa.org.jm/publications/secretary-general-annual-report-2023-just-and-equitable-management-of-the-common-heritage-of-humankind/ • https://www.rnz.co.nz/internatonal/pacific-news/461094/seabed-mining-equity-dilemmas-in-the-pacific • https://www.pacificblueline.org/_files/ugd/7935c2_277ce99b48224d1caf0ae3021d51918d.pdf • https://www.theguardian.com/environment/2023/may/21/is-it-too-late-to-halt-deep-sea-miningthe-actvists-trying-to-save-the-seabed • https://www.oceancare.org/stories_and_news/isa-schicksal-der-tiefsee/ • https://www.rifs-potsdam.de/en/blog/2022/11/germany-calls-precautionary-pause-deep-seamining • https://www.rifs-potsdam.de/de/blog/2022/03/meeresboden-bergbau-verhandeln-ueber-das-schicksal-des-gemeinsamen-erbes-der

03

Das Meeresschutz- Abkommen

Das UN-Meeresschutzabkommen ist das nunmehr dritte Abkommen zur Umsetzung des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen von 1982 (SRÜ). Die beiden anderen sind: Das Übereinkommen vom 28. Juli 1994 zur Durchführung des Teiles XI des Seerechtsübereinkommens (regelt die Verwaltung des „Gebiets“ durch die ISA), sowie das Übereinkommen vom 4. Dezember 1995 zur Durchführung der Bestimmungen des Seerechtsübereinkommens in Bezug auf die Erhaltung und Bewirtschaftung gebietsübergreifender Fischbestände und weitwandernder Fischbestände.

Ziel des UN-Meeresschutzabkommens ist es, die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt der Meere in Gebieten jenseits nationaler Hoheitsgewalt sicherzustellen. Der Fokus liegt auf der Schließung von Regelungslücken sowie insbesondere verbesserter internationaler Zusammenarbeit und Koordinierung. Die Verabschiedung des Abkommens wurde von den UNCLOS-Mitgliedsländern als Erfolg des Multilateralismus gefeiert.

Gebiete jenseits nationaler Hoheitsgewalt sind zum einen die Hohe See, also die Wassersäule jenseits der ausschließlichen Wirtschaftszone. Zum anderen zählt hierzu auch der Tiefseeboden jenseits des nationalen Festlandsockels. Das UN-Meeresschutzabkommen gilt also nicht in den Gewässern der Küstenstaaten. Dort obliegt die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Meeresbiodiversität weiterhin vorrangig den jeweiligen Küstenstaaten.

Der völkerrechtlich bindende UN-Vertrag über die „Biodiversität jenseits nationaler Gesetzgebung“ (BBNJ) zum Schutz der Meere ist die logische Konsequenz der Weltbiodiversitätskonferenz von Montreal im Dezember 2022. Dort hatte sich die Staatengemeinschaft darauf geeinigt, künftig 30 Prozent der Meeres- und Landfläche bis zum Jahr 2030 als Schutzgebiete auszuweisen.

Die erste Säule des UN-Meeresschutzabkommens betrifft im Wesentlichen die Nutzung sogenannter genetischer Meeresressourcen, also des Erbguts von Meeresorganismen, und der aus diesen gewonnenen digitalen DNA-Sequenzinformationen.

Im SRÜ finden sich hierzu keine ausdrücklichen Regelungen. Genetische Meeresressourcen unterfielen bisher nach überwiegender Auffassung dem Regime der Hohen See, ohne dass spezifische Einschränkungen oder Pflichten bestanden. Das UN-Meeresschutzabkommen schließt diese Regelungslücke, indem es einen detaillierten Rechtsrahmen für genetische Meeresressourcen etabliert. Danach ist die Nutzung dieser Ressourcen weiterhin erlaubt, aber einer Vielzahl von speziellen (Verfahrens-)Regelungen unterworfen. Die umstrittenste Neuerung ist ein Mechanismus zur fairen und gerechten Verteilung von Vorteilen, die aus der Nutzung von genetischen Meeresressourcen gewonnen werden. Das UN-Meeresschutzabkommen klassifiziert nunmehr auch genetische Meeresressourcen – hiervon ausgenommen ist allerdings die Fischerei – in Gebieten jenseits nationaler Hoheitsgewalt als „gemeinsames Erbe der Menschheit“. Daher müssen nun beispielsweise digitale DNA-Sequenzinformationen zugänglich gemacht werden. Zudem ist ein Teil aller monetären Vorteile in einen internationalen Fonds einzuzahlen.

Genaue Regelungen zu dieser Zahlungsverpflichtung sowie zur Verteilung der Mittel müssen noch ausgearbeitet werden. Eine solche Verpflichtung bestand nach alter Rechtslage nur bezüglich der mineralischen Meeresressourcen des Tiefseebodens, nicht aber für genetische Ressourcen. Gegen diese bedeutende Innovation hatten sich Industrienationen bis zuletzt gewehrt, da sie wirtschaftliche Nachteile befürchteten. Bisher mussten ihre Unternehmen die Datengrundlagen für potenziell lukratives geistiges Eigentum sowie dadurch gemachte Profite nicht teilen.

Die zweite zentrale Säule des UN-Meeresschutzabkommens betrifft vorrangig die Erhaltung der marinen Biodiversität. Es schafft einen Rahmen zur Einrichtung von Meeresschutzgebieten und verpflichtenden Umweltverträglichkeitsprüfungen. Weitere Bestimmungen betreffen den Kapazitätsaufbau und den Transfer von Meerestechnologie.

Nach Ansicht von Greenpeace sind Hochsee-Schutzgebiete – vor allem streng und umfassend geschützte Gebiete, in denen keine zerstörenden Aktivitäten stattfinden – grundlegend für die Bewältigung der gegenwärtigen Meereskrise. „Sie ermöglichen es: – der Tier- und Pflanzenwelt im Meer, sich zu erholen und zu gedeihen, und stärken die Widerstandsfähigkeit gegenüber dem raschen globalen Wandel; – riesige blaue Kohlenstoffspeicher zu schützen, die den Klimawandel bremsen können; – die Nahrungsversorgung und die Lebensgrundlage von Milliarden von Menschen weltweit zu sichern.“

Damit das Abkommen in Kraft tritt, müssen es mindestens 60 Staaten ratifizieren. Dies sollte schnell geschehen, um das Ziel, bis 2030 30% der Meeres- und Landfläche unter Schutz zu stellen, zu erreichen. Dazu müssen jährlich rund elf Millionen Quadratkilometer Meeresgebiet geschützt werden. Dazu muss die Conference of the Parties (COP) sich mit mindestens Zweidrittelmehrheit auf entsprechende Maßnahmen einigen.

Professor Schatz von der Leuphana-Universität Lüneburg weist aber auch auf Schwächen des Abkommens hin:

„Bei genauerer Betrachtung ist die Kompetenz der COP zur Schaffung verbindlicher Maßnahmen aber sehr beschränkt. Diese müssen mit den bestehenden völkerrechtlichen Verträgen und von internationalen Organisationen erlassenen Regelungen kompatibel sein und dürfen deren Mandat nicht untergraben. Jedenfalls dort, wo bereits solche rechtlichen und institutionellen Strukturen bestehen, hängt die Schaffung von effektiven Meeresschutzgebieten davon ab, dass diese die neuen Maßnahmen mittragen. (… In der Praxis können die Regelungen des UN-Meeresschutzabkommens dazu führen, dass ein einziger Staat, der nicht einmal Vertragspartei ist, eine Maßnahme blockieren kann.

So kann beispielsweise Russland weiterhin in der Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) die Schaffung eines Meeresschutzgebiets im Weddellmeer verhindern, weil dort Einstimmigkeit erforderlich ist. (… Ein weiterer Schwachpunkt des UN-Meeresschutzabkommens ist, dass dort ein Opt-Out-Mechanismus eingebaut ist, wie er auch noch in manchen älteren Fischereiorganisationen vorhanden ist. Ein überstimmter Staat kann sich durch einen einseitigen Einspruch einer Maßnahme entziehen. (… Die Empirie zeigt, dass Staaten diese Möglichkeit nutzen, wenn wirtschaftliche Interessen betroffen sind. Gerade erst hat die Europäische Kommission dem Rat der Europäischen Union vorgeschlagen, im Interesse der europäischen industriellen Fangflotte einen Einspruch gegen eine Erhaltungsmaßnahme der Thunfischkommission für den Indischen Ozean (IOTC) einzulegen.“

Um die Durchsetzung der Ziele des Abkommens zu erreichen, kommt es daher nicht zuletzt auf den Druck an, den die Zivilgesellschaft gegenüber den Regierungen entfalten kann.

Quellen: • https://www.greenpeace.org/static/planet4-international-stateless/2023/09/ba3e9320-30x30-from-global-ocean-treaty-to-protection-at-sea-german.pdf • https://www.lto.de/persistent/a_id/51511/ • https://www.deutschlandfunk.de/meeresschutz-abkommen-hohe-see-vereinte-nationen-100.html#strittig • npj Ocean Sustainability (2023) 2:7 ; https://doi.org/10.1038/s44183-023-00013-x • https://vovworld.vn/de-DE/politische-aktualitat/das-meeresschutzabkommen-dient-derumsetzung-von-unclos-1982-1208958.vov

Abb. (PDF): Karte Der vorgeschlagenen, Im Rahmen der neuen Übereinkunft vorrangig Zu Schützenden Gebiete

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