Politische Berichte Nr.06/2023 (PDF)04b
Blick auf die Medien

Parlamentswahlen in der Schweiz: Kein Rechtsruck

Alfred Küstler, Stuttgart. Nach den Wahlen zum Nationalrat, dem Bundesparlament der Schweiz, am 27. Oktober, hieß es schnell in den deutschen Medien: Die Schweiz ist nach rechts gerückt. Das ist ein Fehlurteil, nicht nur weil die Zahlen falsch waren, auf die sich das Urteil stützte. Die Statistikbehörde der Schweiz hatte sich bei den Prozentanteilen für die einzelnen Parteien zunächst verrechnet und damit die Schweizerische Volkspartei (SVP) mit überhöhten Zugewinnen ausgewiesen. Mit den korrigierten Zahlen bleiben leichte Zugewinne bei den Prozentanteilen (+2,3%) und deutlich bei den Mandaten (+9) für die SVP, aber auch Zugewinnen bei den Sozialdemokraten (SP +1,4%, 2 Mandate) und deutlichen Verlusten bei den beiden grünen Parteien (Grüne -3,4%, 5 Mandate; Grünliberale -0,5%, 6 Mandate).

Die zum Teil deutlichen Unterschiede bei den Prozentanteilen und den Mandaten hängen damit zusammen, dass auf kantonaler Ebene ausgezählt wird und dass es durch Listenverbindungen zu Mandatsgewinnen gekommen ist.

Betrachtet man das Gesamtergebnis für den Nationalrat hat zwar die SVP an Mandaten zugelegt (62 von 200), aber es gibt wie bisher keine „rechte“ Mehrheit. Zumal wenn man die Wahlen zur zweiten Kammer, dem Ständerat mitberücksichtigt. Dieser hat bei der Gesetzgebung eher mehr Kompetenzen als der Bundesrat, die deutsche Länderkammer. Dort hat die SVP unverändert nur sechs von 46 Mandaten.

Und: Die sieben Bundesräte (Regierung) werden nach der Formel je zwei für die drei stärksten Parteien und einer für die viertgrößte vom Nationalrat und Ständerat gewählt, hier hat es durch die Neuwahl keine Änderung ergeben.

Bei den großen politischen Themen für die Schweiz erleidet die SVP derzeit eher eine Niederlage. Die Vertragsverhandlungen zwischen der EU und der Schweiz über die Fortsetzung der wirtschaftlichen Beziehungen werden nach langen Jahren der Stagnation eher mit einer positiven Lösung enden. Die unglückliche Allianz zwischen gewerkschaftlichem und sozialdemokratischem Widerstand gegen vermutetes Lohndumping durch die EU und nationalistischer Abgrenzung von Seiten der SVP scheint gebrochen.

Die SP Schweiz hat jetzt für die am 13. Dezember anstehende Nachwahl eines Bundesrates, zwei Kandidaten vorgeschlagen, die beide als proeuropäisch bekannt sind. Und von Seiten der EU werden Zugeständnisse signalisiert, so dass es vielleicht noch vor den Europawahlen wenigstens im Grundsatz zu einer Einigung kommen könnte.

Abb. (PDF): Ergebnis der Wahl 2023 zum schweizerischen Bundesparlament, dem Nationalrat. Die Parteien mit mindestens einem Mandat sind von links nach rechts angeordnet.