Politische Berichte Nr.06/2023 (PDF)12a
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Hessische Koalition: Heimatministerium und verschärfte Abschiebepraxis

Rosemarie Steffens, Langen. Für Ministerpräsident Rhein (CDU) gründet sich die Koalition mit der SPD besonders auf Innere Sicherheit, die Migration und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Hier seien die Schnittmengen mit der SPD größer als mit den Grünen.1 Die SPD sieht bei den ihr wichtigen Themen Ausbildung und Arbeit, Bildung sowie Wohnen und Verkehr während der Gespräche mit der CDU mehr Verbindendes als Trennendes. Die Grünen werden also nach zehn Jahren ausgetauscht. Die CDU verfügt über 52, die SPD über 22 Mandate im Landtag.

„Es ist gut für Hessen, dass die Grünen aus der Regierung fliegen“,2 bedankt sich der Vorsitzende der zweitstärksten Fraktion, der AfD, Robert Lambrou.

Das Eckpunkte-Papier,3 Basis für die Koalitionsvereinbarung, trägt sicherheitspolitisch „Für mehr Videoüberwachung, Fahndungsmöglichkeiten, Speicherung von IP-Adressen …“ die Handschrift der CDU. Ein Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Weinbau, Jagd und Heimat soll dem bisherigen Umweltministerium weichen. Beim Wohnungsbau ist interessant, ob außer dem „Hessengeld“ für das erste Eigenheim für junge Familien (CDU) auch der Sozialwohnungsbau eine Chance bekommt und ob die SPD mehr Kitas und Erzieher und Lehrerinnen durchsetzt.

Schlagzeilen machte das Angebot an AfD-Wähler*innen – die neue Regierung werde den Verzicht auf das Gendern mit Sonderzeichen an staatlichen und öffentlich-rechtlichen Einrichtungen festschreiben, was vom Hessischen Rundfunk, vom Dt. Journalisten-Verband und von der Landeskonferenz der hessischen Hochschulfrauen- und Gleichstellungsbeauftragten als ungeheure politische Einflussnahme bzw. als verfassungswidrig zurückgewiesen wurde.4

Wichtigstes Thema ist das „klare Bekenntnis zur Begrenzung der irregulären Migration“. Das bedeutet z. B. hessische Vorstöße auf Bundesebene für mehr sichere Herkunftsländer sowie Ausweitung der Abschiebehaft. Nur Flüchtlinge mit Bleiberechtsaussicht sollen den Kommunen zugewiesen werden. Die CDU muss bei diesem Thema auf politische Sicherheit und Stabilität der Koalitionspartnerin setzen.

In der Partei der Grünen, vor allem der Jugend, gibt es eine Strömung heftiger Ablehnung der Migrationspolitik der Ampelkoalition – über 700 Grünen-Mitglieder hatten im Juni mit Offenem Brief die Parteispitze vor „der Ausweitung sicherer Drittstaaten und von Grenzverfahren in Haftlagern“ gewarnt und auf die Verletzung der Menschenrechte hingewiesen. Auch die halbherzige Aufarbeitung des rechtsterroristischen Anschlags in Hanau nehmen migrantische Mitglieder, insbesondere Betroffene des Terroranschlags, der Grünen-Parteispitze übel. Die basisdemokratische Klausel einer Urabstimmung über den Koalitionsvertrag in der Parteisatzung der Grünen hätte in dieser Situation ein Hindernis für die Koalition CDU-Grüne bedeutet.5

Für den Protest gegen eine Migrationspolitik unter Inkaufnahme der Verletzung der Menschenrechte steht Andrea Ypsilanti, die 2008 als Ministerpräsidentin kandidierte und lange für ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis in Hessen eintrat. Sie ist im Juni aus Enttäuschung über die Menschenrechtspolitik der SPD ausgetreten. Auch die Jusos (ca. ein Fünftel der SPD-Mitglieder) greifen die Regierung migrationspolitisch scharf an.

Die Linke hat ihre außerparlamentarische Opposition angekündigt. Vielleicht gibt es ja Verbindungen mit der Opposition der Grünen?

(1) RND 14.11.23; (2) Hessenschau 10.11.23.; (3) Eckpunkte-Papier https://www.spd-hessen.de/wp-content/uploads/sites/269/2023/11/231109_Eckpunkte_SPD.pdf; (4) Gegen Sprachzensur an Hessischen Hochschulen; https://www.uni-marburg.de/de/universitaet/administration/verwaltung/stabsstellen/frauen/aktuelles/nachrichten/gegen-sprachzensur-an-hessischen-hochschulen; hr-fernsehen, hessenschau, 15.11.2023; (5) FAZ, 14.11.23, siehe auch PB 5/2023