Politische Berichte Nr.06/2023 (PDF)12b
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Bayern: Koalition aus CSU und Freien Wählern (FW) stabilisiert sich

Martin Fochler, München. Die Freien Wähler (FW), als bürgernahe kommunalpolitische Alternative zur CSU schon lange erfolgreich und aktiv, wurden 2018 erstmals als Koalitionspartner der CSU gebraucht. Das Landtagswahlergebnis 2023 belegte eine wachsende Basis dieser Verbindung bei Zunahme des Gewichts der FW (von 11,6% auf 15,8%) und geringen Verlusten (von 37,2% auf 37%) der CSU.1 Die Verhandlungen über Koalitionsvereinbarung sowie Zuschnitt und personelle Besetzung der Ministerien verliefen geräuschlos. Am 31.10. wurde Markus Söder mit der Mehrheit des Landtags zum Ministerpräsidenten gewählt, am 8.11. hatte der Landtag dann über den Vorschlag des Ministerpräsidenten zu „Zahl und Abgrenzung der Geschäftsbereiche sowie die Berufung zum Minister- bzw. Staatssekretärsamt“2 zu beschließen. In der Debatte beteiligten sich alle Fraktionen. Mit keinem einzigen Wort wurde die Berufung von Hubert Aiwanger problematisiert. Obwohl die Möglichkeit bestanden hätte, verlangte niemand eine geheime Abstimmung. Das Personaltableau wurde mit den Stimmen der Koalition, gegen die Stimmen der Oppositionsparteien gebilligt, Enthaltungen gab es nicht. Damit ist Hubert Aiwanger parlamentarisch rehabilitiert.

Da es im Publikum gleichwohl noch Vorbehalte gegen ihn als stellv. Ministerpräsidenten und Wirtschaftsminister geben mag, wurde zwei unauffällige Ausweichen eingebaut: Anders als in der vorherigen Wahlperiode wurde für das Amt des Ministerpräsidenten Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales Ulrike Scharf (CSU) als „weitere Stellvertreterin“ benannt und dem Wirtschaftsministerium Tobias Gotthardt, MdL (FW), als Staatssekretär zugeordnet. Auf diese Weise kann Aiwanger im doppelten Sinn des Wortes vertreten werden.

Dass in der AfD die Anhänger von des NS-Ideologen Höcke die Oberhand haben, wurde bei der Konstituierung der Landtagsausschüsse deutlich.

Die Fraktion präsentierte für die ihr nach Geschäftsordnung zustehenden Ausschussvorsitze Kandidaten, die im Plenum keine Mehrheit fanden, die Positionen bleiben einstweilen unbesetzt.

Nach einer Umfrage vom 18.11.3 steigt die CSU von 37,2% auf 40%, die Freien Wähler sinken von 15,8% auf 13,0%, und die AfD geht von 14,6% auf 13% zurück. Die Mitte-Rechts-Koalition aus CSU und FW kann sich durch arbeitseiligen Umgang mit den auch in Bayern heftigen Stadt-Land-Differenzen stabilisieren.

Anders als im Freistaat können die Beziehungen zwischen FW und CSU in der Bundes- und Europapolitik nicht symbiotisch funktionieren. Bei den Europawahlen kann die CSU nicht auf Europa-Destruktion setzen, die AfD wird das gezielt tun, und die FW hätten bei Europawahlen anders als in der Landespolitik Spielraum für Unverantwortlichkeiten. Käme im Bund es zu der Ampel-Wahlrechtsreform, wäre ein Ergebnis denkbar, das die bundesweit antretenden Freien Wähler über die 5% in den Bundestag spülte, während die nur in Bayern antretende CSU (gerade wegen dieser Konkurrenz) unter die 5% käme und damit aus dem Bundestag herausfallen könnte.

(1) Siehe PB 05/2023 (2) https://www.bige.bayern.de/mam/sonstiges/content/grundgesetz_verfassung_by.pdf, Art. 45 und 46, 49, (3) www.dawum.de