Politische Berichte Nr.06/2023 (PDF)19b
Gewerkschaften/Soziale Bewegung

Geschäftsmodell „Online-Lieferdienste für Lebensmittel“ wackelt

Bruno Rocker, Berlin

Sogenannte Blitzlieferdienste liefern sowohl fertige Gerichte aus dem Restaurant als auch Lebensmittel in wenigen Minuten bis vor die Haustür. Immer mehr Nutzer, vor allem in den großen Städten, nehmen das Angebot in Anspruch. In einer Studie des Instituts für Mitbestimmung und Unternehmensführung (I.M.U.) der Hans-Böckler-Stiftung ist nunmehr untersucht worden, wie nachhaltig dieses Geschäftsmodell funktioniert. Das ist nicht ganz unwichtig, auch aus Sicht der dort Arbeitenden, die oft unter schlechten Arbeitsbedingungen beschäftigt werden.

Untersucht wurde die wirtschaftliche Entwicklung anhand von Kennzahlen aus den Jahresabschlüssen über einen Zeitraum von sechs Jahren, u.a. bei Just eat, Takeaway, Delivery Hero sowie Hello Fresh. Als Teil der sogenannten Plattformökonomie verfügen diese Dienstleister über keine großzügigen Verkaufsflächen, stattdessen über kleine Lager an mehreren Standorten in den Ballungsräumen. Geliefert bis an die Haustür wird die Ware dann durch die sogenannten „Rider“, ausgerüstet mit Fahrrad oder Motorroller. Häufig arbeiten die „Rider“ auch als (Schein-)Selbstständige für die Plattformen.

Die Forscher der Hans-Böckler-Stiftung haben herausgefunden, dass trotz starken Wachstums der Branche in den letzten Jahren ein Großteil der Unternehmen ihre Dienstleistungen unterhalb des Deckungsbeitrages anbieten muss. Der durchschnittliche Warenkorbwert bei Unternehmen wie Gorillas, Flink, Delivery Hero und anderen beträgt pro Bestellung laut der Studie wohl lediglich zwischen 15 und 25 Euro. Ein positiver Deckungsbeitrag sei jedoch wohl erst ab etwa 30 Euro möglich. Den Anbietern gelingt es also nicht, mit dem operativen Geschäft Gewinne zu erwirtschaften.

Es werden vielmehr zusehend Verluste realisiert, die zu einem ruinösen Wettbewerb führen. Lediglich in den Corona-Jahren war die Rentabilität ein wenig besser. Letztlich war jedoch auch dies nur ein Strohfeuereffekt. Die Entwicklung der Unternehmen entspricht einem typischen Phänomen vieler schnell wachsender Unternehmen, die zunächst auf Umsatzsteigerung setzen, Gewinnmargen oder Kosten aber kaum beachten. Mittlerweile sind auch die Kapitalgeber zurückhaltender geworden. Der Druck auf die Branche, die Profitabilität zu steigern, erhöht sich. Eine Konsolidierung des Marktes scheint allerdings bereits im Gange. Das deutsche Unternehmen Gorillas ward nach nur zwei Jahren bereits vom türkischen Wettbewerber Getir übernommen. Zeitweise sollte wohl auch Flink übernommen werden. Stattdessen weitete das Handelsunternehmen Rewe seine Beteiligung an Flink aus. Der Studie nach sei zu erwarten, dass nur wenige Anbieter den ruinösen Wettbewerb überleben werden.

Das Problem aus Sicht der Unternehmen bleibt, die Auslieferung der Waren zu den Endkunden kostendeckend zu gestalten. Das sind schlechte Perspektiven für die Beschäftigten. Sie müssen also damit rechnen, dass Niedriglöhne ein wesentlicher Bestandteil der bisherigen Geschäftsmodelle in der Branche bleiben oder sich gar verstärken.

Abb. (PDF): Quelle: Studie „Quick-Commerce“ der Hans Böckler Stiftung 10/2023, https://www.imu-boeckler.de/fpdf/HBS-008727/p_mbf_report_2023_78.pdf