Politische Berichte Nr.06/2023 (PDF)21
Rechte Provokationen - Demokratische Antworten

Rechte Provokationen – demokratische Antworten – Redaktionsnotizen Red. Rosemarie Steffens, Langen, Hessen

01 Stiftungsgesetz beschlossen: Keine Zuschüsse an AfD-Stiftung Olaf Argens.
02 „Björn Höcke ist ein Nazi“ – Verfahren gegen VVN-BdA-Vorsitzende eingestellt VVN-BdA
03 Katholische Elternschaft (KED) warnt vor Nazipartei AfD Rosemarie Steffens
04 Rassismus und seine Symptome Rosemarie Steffens.

01

Stiftungsgesetz beschlossen: Keine Zuschüsse an AfD-Stiftung

Olaf Argens. Am 10.11.23 beschloss der Bundestag mit Stimmen aus den Fraktionen von CDU/CSU, SPD, Grünen, FDP und Linkspartei ein Gesetz, das die Voraussetzungen der Finanzierung von Parteistiftungen regelt. Die AfD stimmte dagegen. Das Bundesverfassungsgericht hatte zuvor festgestellt, dass die Bedeutung der Stiftungen für die politische Willensbildung ein Gesetz verlangt, das die Maßstäbe der Finanzierung festlegt. Bislang waren die Zuschüsse ausschließlich Gegenstand der Haushaltspläne. Der Verteilung lagen informelle Gespräche der Parteistiftungen und der Parteien zugrunde. Da die Stiftung der AfD von der Finanzierung ausgeschlossen wurde, hatte sie 2019 geklagt, und sich auf eine Verletzung des Gebotes der Chancengleichheit berufen.

Das Gesetz bindet die Gewährung von Zuschüssen an politische Bedingungen: Stiftungen müssen die Gewähr dafür bieten, für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie für den Gedanken der Völkerverständigung aktiv einzutreten. Die Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn die Stiftungsarbeit in der Vergangenheit, entsprechende Veröffentlichungen sowie die Mitwirkung einschlägiger Personen eine verfassungsfeindliche Tätigkeit nahelegen. Eine solche Ausrichtung ist in der Regel anzunehmen, wenn die Stiftung durch den Verfassungsschutz als Verdachtsfall oder als gesichert extremistisch eingestuft wird. Die Entscheidung darüber liegt beim Bundesinnenministerium.

Da die Stiftung außerdem eine auf Dauer angelegte relevante politische Grundströmung repräsentieren muss, wird ferner verlangt, dass die Partei in mindestens drei Legislaturperioden – mit einer Unterbrechung – als Fraktion im Bundestag vertreten sein muss. Die Stiftung der AfD erhält schon aus diesem Grund bis auf Weiteres keine Zuschüsse.

Die Sachverständigen hatten den Gesetzentwurf in der Anhörung ganz überwiegend begrüßt. Der von den Linken benannte Sachverständige Dr. John Philipp Thurn (Gesellschaft für Freiheitsrechte) hatte gleichwohl Einwände vorgetragen*: Die Bezugnahme auf die fdGO sei zu unbestimmt. Mindestens die vom Verfassungsgericht im NPD-Verbotsverfahren entwickelten Kernelemente des demokratischen Verfassungsstaats (universelle Menschenwürde, Demokratieprinzip, Rechtsstaatsprinzip) hätten aufgenommen werden müssen. Kritisiert wurde ferner, dass die Entscheidungsbefugnis ausschließlich bei der Exekutive liegt. Außerdem sei die Vertretung im Bundestag als Merkmal der politischen Grundströmung zu eng gefasst.

* https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw42-pa-inneres-stiftungsfinanzierung-971144#

02

„Björn Höcke ist ein Nazi“ – Verfahren gegen VVN-BdA-Vorsitzende eingestellt

VVN-BdA, Bundesvorstand. Nach fast sechs Monaten Ermittlung hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren gegen die Bundesvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Cornelia Kerth wegen Beleidigung eingestellt. Gegenstand des Verfahrens war ein Plakat des bundesweiten Bündnisses Aufstehen gegen Rassismus mit der Aufschrift „Björn Höcke ist ein Nazi“, das die VVN-BdA beim Befreiungsfest am 8. Mai an ihrem Stand am Gerhart-Hauptmann-Platz in Hamburg gezeigt hatte. Die Polizei war tätig geworden, weil sie in dem Plakat eine „üble Nachrede gegen Personen des politischen Lebens“ nach § 188 StGB sah. Mittlerweile bezeichnen selbst hochrangige CDU-Politiker wie der Regierende Bürgermeister von Berlin Kai Wegener oder der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Thomas Wüst Björn Höcke als Nazi bzw. die AfD als Nazi-Partei. Und obwohl bereits im Juni ein Verfahren wegen des gleichen Plakats in Frankfurt eingestellt worden war, ermittelte der Hamburger Staatsschutz weiter. Die Einstellung des Verfahrens gegen Kerth sei laut Schreiben der Hamburger Staatsanwaltschaft vom 25.10.2023 nun erfolgt, weil die Ermittlungen nicht genügend Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage böten. Es ist das einzige Verfahren nach § 188 a, das nach Auskunft des Senats auf eine entsprechende Anfrage der Linksfraktion bisher von Amts wegen eingeleitet wurde.

(PM VVN-BdA, 07.11.23)

03

Katholische Elternschaft (KED) warnt vor Nazipartei AfD

Rosemarie Steffens. Mit Entsetzen und tiefer Besorgnis hat die Katholische Elternschaft Deutschlands (KED) die Äußerungen von Björn Höcke zur Kenntnis genommen, in denen er die Inklusion in Schulen als „Ideologieprojekt“ bezeichnete. „Die AfD ist eine Nazipartei und betreibt Nazipolitik, mit der sie wieder definieren will, wer ‚Herrenmensch‘ und was ‚unwertes Leben‘ ist“, sagt Marie-Theres Kastner, Bundesvorsitzende der KED. Es sei notwendig, diese Partei und ihre Führung deutlich und immer wieder als das zu bezeichnen, was sie sind: rechtsextrem und in großen Teilen mit einer Ideologie behaftet, die die dunkelsten Zeiten unserer Geschichte wiederbeleben will. „Auf den Ausschluss von Schülern an den Schulen folgte nur kurze Zeit später ihre Ermordung. Wenn immer vom ‚Nie wieder‘ die Rede ist, JETZT muss klar werden, dass die AfD ein Zusammenschluss ist von menschenverachtenden Anhängern einer todbringenden Ideologie. Wenn wir die Geschichte nicht wiederholen wollen, dürfen wir nicht schweigen“, sagte Marie-Theres Kastner. Die KED fordert alle demokratischen Kräfte in Deutschland auf, sich klar von der AfD und ihren rechtsextremen Tendenzen zu distanzieren und sich für eine inklusive und gerechte Gesellschaft einzusetzen.

(PM der KED, Sept. 23)

04

Rassismus und seine Symptome

Rosemarie Steffens. Im Juli 2020 hat der Bundestag erstmals Mittel bereitgestellt, um am Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) einen Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitor aufzubauen. 2022 erschien die Auftaktstudie „Rassistische Realitäten. Wie setzt sich Deutschland mit Rassismus auseinander?“ Die anknüpfende Folgestudie (11/2023) hat den Schwerpunkt Gesundheit und Gesundheitsversorgung. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass Gesundheitsversorgung nicht für alle gleichermaßen sichergestellt und gewährleistet sei. Die Verteilung von Ressourcen und polarisierende Diskurse im öffentlichen Raum machten rassistische Stimmungen sichtbar. 68 % der muslimischen Frauen und 67 % der schwarzen Frauen gaben an, sie seien schon einmal von ärztlichem oder anderem medizinischen Personal „ungerechter oder schlechter behandelt“ worden als andere. Die Studie arbeitet auch rassistische Wissensbestände und Stereotypisierungen in der Gesundheitsversorgung heraus. In Lehrmaterialien der medizinischen Ausbildung lässt sich eine Überrepräsentation rassistisch markierter Gruppen in Verbindung mit abwertenden Darstellungen finden. Diese werden zum Beispiel mit „übermäßige[m] Alkohol- und Drogenkonsum“ oder „erhöhtem Risiko für sexuell übertragbare Krankheiten“ in Verbindung gebracht. Häufige Diskriminierungserfahrungen hängen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Angststörungen oder depressive Symptome zusammen.

(NaDiRa-Bericht 7.11.2023 „Rassismus und seine Symptome“ Hrsg.: Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung – DeZIM)