Politische Berichte Nr.01/2024 (PDF)11
Globale Debatten - UN Initiativen

Ozeanien: Abmachungen und Abhängigkeiten

Edda Lechner, Norderstedt

Durch den Klimawandel steigt seit dem 20. Jahrhundert der Meeresspiegel, bis 2100 vermutlich um 110 Zentimeter im Vergleich zur Jahrtausendwende 2000. Die Ursachen sind die bekanntermaßen schmelzenden Gletscher und Eisschilde, sowie die allgemeine Erwärmung der Erde wie auch des Meerwassers. Das gilt besonders für die großen Länder im Westen des Pazifiks, Indonesien und die Philippinen, wie auch für die zahlreichen kleinen und kleinsten Staaten und Inselgruppen inmitten des Ozeans. So ist die höchste Erhebung auf Nauru mit 10 000 Einwohnern nur ganze 61 m und auf Tuvalu mit 12 000 Einwohnern sogar nur 5 m hoch. Es ist völlig illusorisch anzunehmen, dieses Problem könne durch den Bau von Dämmen und Aufschüttungen gelöst werden, selbst wenn dazu entsprechende finanzielle Mittel aufgebracht werden würden. Hinzu kommt, dass die entsprechenden Küstenregionen dieser Länder, wenn sie voraussichtlich im Meer verschwinden, die seewärts garantierten Basis-, bzw. Küstenlinien der 200 Seemeilen Zone wegfallen, die sie aber zum Fischen und für wertvolle Rohstoffe unbedingt benötigen. Deshalb haben 18 pazifische Staaten bereits vorsorglich deklariert, sie würden diese neu entstehenden Basislinien nicht mehr akzeptieren. Durch das bestehende Seevölkerrecht ist dies bisher noch nicht anerkannt.

Verständlicherweise sind von daher die Pazifik-Inseln weltweit am stärksten auf internationale Entwicklungshilfen angewiesen. Alle diese Hilfen waren zu 39 % klimabezogen. Von 2008 bis 2021 erhielt Ozeanien insgesamt 40 Milliarden Dollar und für ihre Volkswirtschaften spielt diese Unterstützung eine größere Rolle als in jedem anderen Teil der Welt. Dabei war das direkt am Rande des Pazifiks gelegene Australien mit rund 17 Milliarden der größte Geldgeber. Es folgten China mit 3,9 Mrd. und die Europäische Union mit 1,2 Mrd. Natürlich werden auf der Pacific Aid Map des in Australien gelegenen Lowry Institute mit insgesamt 82 Gebern diese Zuwendungen genau geprüft und beinhalten eine Rechenschaftspflicht für diese Auslandshilfe und deren Projekte.

Aber nicht nur das: Die Geldgeberländer haben bei ihrer Unterstützung dieser zwar kleinen, aber weltpolitisch wichtigen Inseln und Staaten durchaus ihre eigenen Interessen. Der Konflikt zwischen den USA mit ihren verbündeten westlichen Ländern und der chinesischen Volksrepublik, aber auch Japan und Australien, ist bekannt. In letzter Zeit wurden vielfach alte Abmachungen gecancelt und neue geschlossen. So haben die Salomonen erstmalig mit Chile diplomatische Beziehungen aufgenommen – „wir teilen denselben Ozean“. Papua-Neuguinea hat vor kurzem amerikanisches Militär und zugleich die „Bank of China“ in sein Land gelassen (wie in PB 6/23 berichtet), jetzt darf Australien mit 10 000 PolizistInnen die Unterstützung des dortigen Rechtssystems fördern – „wegen der bereits guten Verteidigungsbeziehungen im letzten Weltkrieg“. Vom chinesischen Festland in Hongkong starten immer mehr Direktflüge mit immer mehr chinesischen Touristen auf die Fidschis, außerdem bietet China für Kiribati den Bau eines neuen Flughafens an. Die Nördlichen Marianen hingegen – in der Hand der USA – lassen dagegen die leichte Einreise chinesischer Staatsangehöriger durch Visabestimmungen einschränken. Neuseeland verabschiedet mit Vanuatu das Programm für Migration und menschliche Sicherheit im Klimawandel (Pccmhs) für bessere Arbeitsmigration von Inselgruppe zu Inselgruppe. Auch die EU glänzt mit einem ihrer Hilfsprogramme, das sie für die Organisation Afrikanischer, Karibischer und Pazifischer Staaten (Oacps) bereit hält: sie hilft 79 Ländern in aller Welt, darunter jetzt vorrangig dem Inselstaat Samoa anstelle des bisher gültigen Abkommens von Cotonou.

Uneigennützig sind alle diese Maßnahmen keineswegs. Auch wenn sie ausführlich als nützliche Abmachungen für die pazifischen Länder ausgewiesen werden: als klimatische Vorsorge gegen Hitze, Sturm, Überflutung und Vulkanausbrüche, für den wirtschaftlichen Fortschritt und notwendige Investitionsmöglichkeiten zugunsten von Fischerei, die Landwirtschaft und Tourismus, zur Einführung von Informationstechnologie und für eine verantwortliche Staatsführung mit sozialer Gerechtigkeit und einer besseren Versorgung in Gesundheit, Bildung und Sport. Aber alle Verträge und Hilfsleistungen greifen doch beachtlich in die Eigenverantwortung und Selbständigkeit der betreffenden Staatsgebilde ein: in militärischer, wirtschaftlicher, polizeilicher und kultureller Hinsicht. Wie können unter diesen die alten indigenen Traditionen der pazifischen Bevölkerung und die Interessen ihrer neuen Staatsgebilde gewahrt bleiben?

Ein Beispiel macht dies noch einmal sehr deutlich: Im vergangenen Monat sind Australien und der Kleinstinselstaat Tuvalu – 26 qkm „groß“ – eine sogenannte Falepili-Union eingegangen. Das Abkommen gewährt den vom steigenden Meeresspiegel bedrohten BewohnerInnen, was sie seit längerem fordern, eine australische Aufenthaltserlaubnis, sprich: Auswanderung, von jährlich bis zu 280 Personen. Bei 12 000 EinwohnerInnen könnte dies immerhin bis zu 40 Jahre in Anspruch nehmen. Als Gegenleistung verlangt die australische Regierung, eine Vetostimme bei diversen sicherheitspolitischen Entscheidungen zu bekommen. Das ebenfalls mit 11 000 EinwohnerInnen, 21 qkm „kleine“ Nauru sprach sich bewusst gegen einen ähnlichen Vertrag aus. Es hat erst vor kurzem seine bisherige Verbindung zu Taiwan gekappt. Auch Kiribatis Präsident Maamau hat die Beziehungen zu Taiwan zugunsten Chinas aufgegeben. Er billigte immerhin nach einem persönlichen Besuch der australischen Außenministerin Penny Wong ein allgemeines Entwicklungs- und Sicherheitsabkommen, aber keinen Falepili-Vertrag. Selbst der auf kirchlicher Mission in Papua-Neuguinea beruhende kirchliche „Pazifik-Rundbrief“, äußerte kritisch: „Viele (Staaten im Pazifik) sehen in den Klauseln eine Aufgabe der staatlichen Souveränität Tuvalus, vor allem in außenpolitischen Belangen. Aus ihrer Sicht hat sich Tuvalu mit dem Abkommen über den Tisch ziehen lassen – und es geht Australien gar nicht um den Klimawandel, sondern darum, möglichst großen außenpolitischen Einfluss auf Tuvalu sicherzustellen, um zu verhindern, dass sich ein weites Land der Region zunehmend China zuwendet.

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