Politische Berichte Nr.01/2024 (PDF)18
Kommunale Initiativen

dok Kommunale Initiativen: Armut bekämpfen

Red. Ulli Jäckel, Hamburg

01 Demokratie retten, Armut bekämpfen: Senat muss behördenübergreifende Strategie vorlegen! Hamburg.
02 Landesregierung muss mehr für bezahlbare Mieten tun: Hannover.
03 Berechtigte müssen Sozialticket wieder in Anspruch nehmen können. Berlin.
04 Niemand soll frieren müssen – ein Sozialtarif der Stadtwerke muss her! Düsseldorf.
05 Mehr Leistung für mehr Menschen: der neue Bonn-Ausweis. Bonn.
06 9-Euro-Ticket weiter diskutieren. Halle.
07 Sozialticket und Vereinszuschüsse sind sicher: Erfurt.
08 Kostenfreies Mittagessen an Kitas und Grundschulen! Leipzig.
09 Aufruf: Für ein menschenwürdiges Existenzminimum – gegen Kürzungen beim Bürgergeld!

01

Demokratie retten, Armut bekämpfen: Senat muss behördenübergreifende Strategie vorlegen! Hamburg. Die Linksfraktion in der Bürgerschaft (Drs. 22/13763) beantragt eine behördenübergreifende Anti-Armutsstrategie für Hamburg. Hintergrund ist der aktuelle Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI). Demnach sinkt mit der wachsenden Armut das Vertrauen in demokratische und staatliche Institutionen, in Parteien und Politiker*innen. Ein geringes Vertrauen in den Bundestag geben beispielsweise weniger als 20 Prozent der Reichen an, bei dauerhaft Armen ist es fast die Hälfte. Die wachsende Armut, schlussfolgert das WSI, gefährdet die Demokratie und den sozialen Zusammenhalt. In Hamburg liegt die Armutsgefährdungsquote mit mehr als 19 Prozent nicht nur über dem Bundesdurchschnitt, sondern hat sich im Vergleich zum Vorjahr nochmal erhöht. Olga Fritzsche, sozialpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft: „Hamburg ist die Stadt mit der höchsten Millionärsdichte und dennoch müssen wir feststellen, dass jede*r Fünfte in Armut oder gefährlich nah an der Armutsschwelle lebt und am sozialen Leben in unserer Stadt nur eingeschränkt teilhaben kann. Die Ignoranz und Untätigkeit des Senats in der sozialen Frage ist unverantwortlich und führt dazu, dass sich Menschen abgehängt fühlen und das Vertrauen in Politik sinkt. Das gefährdet die Demokratie und den sozialen Zusammenhalt. Gerade vor dem Hintergrund des wachsenden Populismus erwarten wir mehr Engagement vom Senat gegen die soziale Spaltung. Hamburg braucht endlich eine behördenübergreifende Anti-Armutsstrategie.“

www.linksfraktion-hamburg.de/demokratie-retten-armut-bekaempfen-senat-muss-behoerdenuebergreifende-strategie-vorlegen/

02

Landesregierung muss mehr für bezahlbare Mieten tun: Hannover. Erneut hat die niedersächsische Regierung ihre Ziele für den Wohnungsbau verfehlt. Wie der NDR berichtet, fehlten in Niedersachsen 2022 109 000 Sozialwohnungen. Damit gehört Niedersachsen zu den Schlusslichtern in der Bundesrepublik. Eine Trendwende ist nicht in Sicht: Immer mehr Sozialwohnungen fallen aus der Sozialbindung und kaum neue kommen nach. „Die Landesregierung nimmt willkürlich hohe Mieten, Überschuldung und Obdachlosigkeit in Kauf, obwohl sie mit einer Sozialwohnungsbauoffensive all diesen Probleme Abhilfe schaffen könnte“, kritisiert Torben Franz, Mitglied des niedersächsischen Landesvorstandes der Linken. „Eine Landeswohnungsbaugesellschaft haben wir schon lange gefordert – schön, dass die Landesregierung endlich auf uns hört“, fährt Franz fort. „Wenn sie weiter Forderungen der Linken umsetzen möchte, empfehle ich der Landesregierung als nächstes ein Förderprogramm für kommunalen Wohnungsbau, langfristige Finanzierung von Mietrechtsinitiativen und die Ausweitung von Mietschutzverordnungen und Mietpreisbremse.“ Weiterhin fordert Franz die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative zur Einführung eines bundesweiten Mietpreisdeckels anzustoßen und die Spekulation mit Leerstand zu verbieten. „Die Spekulation mit Leerstand gehört verboten und Miethaie zu Fischstäbchen verarbeitet.“

www.die-linke-goettingen.de/kreisverband/aktuell/detail/landesregierung-muss-mehr-fuer-bezahlbare-mieten-tun-1/

03

Berechtigte müssen Sozialticket wieder in Anspruch nehmen können. Berlin. Die Fraktionen der Grünen und Linken haben einen Antrag zur vereinfachten Vergabe des BVG-Sozialtickets eingereicht. Auch die Berliner SPD-Fraktion hat nun, wie aus Medienberichten zu entnehmen war, angekündigt, eine Vereinfachung des Vergabeverfahrens anzustreben. Dazu äußern sich Taylan Kurt, Sprecher für Sozialpolitik und Armutsbekämpfung der Grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus: „Die Umstellung des Berlin-Passes hat zu Chaos für Betroffene in Berlin geführt. Insbesondere der Erwerb des Sozialtickets ist mit dem neuen digitalen Verfahren bei der BVG zu kompliziert. Der Senat muss unverzüglich zum alten Verfahren für die Anschaffung des Berlinpasses über die Bürgerämter zurückkehren! Zum Hintergrund:

Nachdem der BerlinPass vor über einem Jahr abgeschafft wurde, müssen das Jobcenter und weitere Ämter den Berechtigten einen neuen Nachweis zuschicken. Da viele Ämter überlastet sind, verzögert sich die Ausstellung der Berechtigtennachweise. Betroffenen bleibt so der Zugang zu einem günstigen Sozialticket zeitweilig verwehrt, obwohl sie Anspruch darauf haben.

www.linksfraktion.berlin/politik/presse/detail/berechtigte-muessen-sozialticket-wieder-in-anspruch-nehmen-koennen/

04

Niemand soll frieren müssen – ein Sozialtarif der Stadtwerke muss her! Düsseldorf. Die Abrechnungen für Energie und Wasser werden im neuen Jahr auch für Stadtwerke-Kund:innen höher ausfallen. Zusammen mit einer lange anhaltenden Inflation bei den Lebensmittelpreisen stellt das viele Menschen vor Probleme; ein Fünftel der Düsseldorfer:innen gilt laut EU-Definition als arm. Die Linke stellt nun zur Haushaltsberatung des Stadtrats am 14.12.2023 zwei Anträge, um diese Menschen zu entlasten. Helmut Born, sozialpolitischer Sprecher der Linken-Ratsfraktion, wirft der Stadtspitze vor, bei der Haushaltsplanung einen großen Teil der Düsseldorfer:innen zu vernachlässigen: „Mitten in Kriegs- und Krisenzeiten verzeichnet die Stadt Düsseldorf Rekordeinnahmen von anderthalb Milliarden Euro aus der Gewerbesteuer. Es wäre nur gerecht, diese Gewinne für Menschen einzusetzen, die nicht so gut durch die Krisen kommen wie die Düsseldorfer Unternehmen. Die Linke beantragt deshalb zur Haushaltssitzung des Stadtrats, dass erfolgreiche Notmaßnahmen des vergangenen Jahres fortgesetzt werden. Beispielsweise die Lebensmittelausgabe und der Unterstützungsfonds für Senioren sind weiter notwendig. Die Landesförderung für diese Maßnahmen endet jetzt, aber der Bedarf bei den Menschen ist noch da!“ Mit Blick auf den Winter will Die Linke auch einen Sozialtarif bei den Stadtwerken einführen.

www.linksfraktion-duesseldorf.de/home/detail-home/niemand-soll-frieren-muessen-ein-sozialtarif-der-stadtwerke-muss-her/

05

Mehr Leistung für mehr Menschen: der neue Bonn-Ausweis. Bonn. Mit dem Bonn-Ausweis haben Menschen mit geringeren Einkommen Anspruch auf vergünstigte Leistungen der Stadt u. a. für Bus und Bahn. Davon können jetzt noch mehr Menschen profitieren.

Früher war zwar mit Sicherheit nicht alles besser. Aber dass sich heute viel mehr Menschen als noch vor ein paar Jahren wegen Energiepreisen und Inflation Sorgen um den Lebensunterhalt machen müssen, lässt sich schwer bestreiten. Das trifft vor allem Empfänger*innen von staatlichen Transferleistungen, aber das Problem geht darüber hinaus und ist längst bei Menschen etwa mit Vollzeitjob angekommen. Ein zentrales Instrument für gesellschaftliche Teilhabe in unserer Stadt ist der Bonn-Ausweis. Durch ihn bekommt man zum Beispiel 50 % Nachlass auf den Eintritt in Schwimmbäder, freie Mittagsverpflegung in Kita und Schule sowie günstigere Tickets im ÖPNV – den Preis für ein Monatsticket im Abo haben wir vor Kurzem auf 19 Euro deutlich abgesenkt. Ebenfalls auf unsere Initiative hin haben wir jetzt in einem zweiten Schritt den Kreis der Bonner*innen erweitert, die den Ausweis erhalten können. Denn während Transferleistungsempfänger*innen das Dokument – endlich im Scheckkartenformat – automatisch zugeschickt wird, müssen alle anderen selbst auf der Website der Stadt mit dem Bonn-Ausweis-Rechner prüfen, ob sie abhängig von ihrem Einkommen Anspruch auf den Ausweis haben, und ihn dann beantragen. Die Einkommensgrenze für diese Prüfung haben wir hochgesetzt, so dass ab sofort deutlich mehr Menschen das Recht auf einen Bonn-Ausweis haben: Wir rechnen mit 10 000 Haushalten zusätzlich. Mehr Bonn-Ausweise kosten die Stadt mehr Geld, die Mittel im aktuellen Haushalt haben wir deshalb um gut 2,5 Mio. Euro erhöht.

www.linksfraktion-bonn.de/fileadmin/lcmslfbonn/user/upload/Fraktionszeitung_Winter_2324_web.pdf

06

9-Euro-Ticket weiter diskutieren. Halle. Nachdem der Antrag der Stadtratsfraktion Die Linke für ein 9-Euro-Ticket für Schüler*innen in den zurückliegenden Haushaltsverhandlungen abgelehnt wurde, hat der Stadtelternrat eine Idee entwickelt, das Ticket dennoch zu finanzieren. Der Stadtelternrat schlägt vor, die kostenfreien Monatskarten für Schüler*innen, die weiter von ihrer jeweiligen Schule entfernt wohnen, zu streichen und die entsprechenden Gelder stattdessen für ein 9-Euro-Ticket für alle Schüler*innen zu investieren.

Aktuell läuft eine Umfrage unter den Eltern schulpflichtiger Kinder, die hierfür eine hohe Bereitschaft erkennen lassen. Darüber hinaus zeigt sich der allgemeine Wunsch und auch Bedarf nach einem kostengünstigeren ÖPNV-Ticket für alle Schüler*innen. Die Fraktion Die Linke begrüßt die Initiative und sieht sich bestätigt: Es gibt enormen Handlungsbedarf, den der Stadtrat gemeinsam mit der Stadtverwaltung aufgreifen muss. „Insgesamt wird einmal mehr deutlich, wie sehr die Bürger*innen hinter einem starken Nahverkehr stehen, der für alle zugänglich und finanzierbar ist. Wir sind offen für alle Ideen, um das 9-Euro-Ticket zu realisieren und hoffen auf gute Diskussionen“, erklärt dazu Anja Krimmling-Schoeffler, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion.

www.dielinke-halle.de/stadtratsfraktion

07

Sozialticket und Vereinszuschüsse sind sicher: Erfurt. Auch wenn die Stadt aktuell keinen Haushalt hat, wird das Sozialticket weiter durch das Sozialamt ausgegeben. „Diese Maßnahme ist richtig und wichtig für alle Betroffenen. Mobilität ist eine zentrale Voraussetzung für die soziale Teilhabe und die Chancen am Arbeitsmarkt. Daher ist es umso wichtiger, dass hier Klarheit herrscht“, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Karola Stange. Der öffentliche Personennahverkehr ist Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Linke kämpft seit Jahren für das Sozialticket. So kann für Familien und Haushalten in prekären Situationen ein Angebot zur Mobilität gewährleistet werden. Auch werden die Zuschüsse an die sozialen Vereine und Verbände, die in den Jahresplanungen der Fachämter bereits festgeschrieben sind, ohne Abstriche ausgereicht. Das ist eine große Erleichterung in der Planung der Vereine. Daher unterstützten wir dieses Vorgehen ausdrücklich.

www.die-linke-erfurt.de/aktuelles/detail-aktuelles/sozialticket-und-vereinszuschuesse-sind-sicher/

08

Kostenfreies Mittagessen an Kitas und Grundschulen! Leipzig. Am 13. und 14. Januar hat der erste mittels Losverfahren offiziell durch den Bundestag eingesetzte Bürgerrat zur Thematik „Ernährung im Wandel“ getagt. Unter einer Reihe an Empfehlungen für die Politik, welche durch den Rat ausgearbeitet wurden, wurde der Forderung nach einem kostenfreien Mittagessen für alle Kinder die höchste Priorität eingeräumt. Dazu erklärt William Rambow, Sprecher für Kinder und Jugend der Fraktion Die Linke im Leipziger Stadtrat: „Das kostenfreie Mittagessen an Kitas, Schulen und Horten ist eine langjährige Linke-Forderung. Zur gesunden Entwicklung junger Menschen gehört eine vollwertige Ernährung – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Es kann nicht sein, dass manche Kinder und Jugendliche mit knurrendem Magen im Unterricht sitzen, weil sich ihre Familien die Verpflegung in der Schule schlichtweg nicht leisten können. Wir freuen uns, dass unser Anliegen durch den Bürgerrat nun noch mehr Schlagkraft erhält.“ Unsere Fraktion hat einen Antrag eingereicht, der ein kostenfreies Mittagessen in Leipzigs Kindertagesstätten und Grundschulen ab 2025 (https://gleft.de/5u1) fordert. Die Stadt hat hier die Chance, Leuchtturmwirkung zu erzielen.“ „Unser Antrag kann allerdings nur ein erster Aufschlag sein“, erklärt Marco Götze, Sprecher für Schule und Bildung der Leipziger Linksfraktion. „Langfristig sollten auch Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Bildungseinrichtungen kostenfrei speisen. Der Bürgerrat betonte in seinen Ausführungen, dass dies der ‚Schlüssel für Bildungschancen und Gesundheit‘ sei. Leipzig tut gut daran, sich diese Empfehlung zu Herzen zu nehmen.“

www.linksfraktion-leipzig.de

09

Aufruf: Für ein menschenwürdiges Existenzminimum – gegen Kürzungen beim Bürgergeld!

Die Debatte um Kürzungen im Sozialbereich des Bundeshaushaltes 2024 muss sofort beendet werden!

Wer die Erhöhung des Bürgergeldes im kommenden Jahr infrage stellt, will offensichtlich Verfassungsbruch begehen. Denn die Sicherung des Existenzminimums durch das Bürgergeld hat Verfassungsrang. Die Anhebung des Bürgergeldes ist für Millionen von Menschen von existenzieller Bedeutung, um die Preissteigerungen bei Lebensmitteln und Energie halbwegs abfedern zu können. Wer die Erhöhung mit Verweis auf das Lohnabstandsgebot kritisiert, spielt Geringverdienende gegen Transfer-Berechtigte aus. Das spaltet unsere Gesellschaft. Die Gegner der Bürgergeld-Erhöhung wollen damit den Lohndruck auf untere Einkommensgruppen verschärfen und den Niedriglohnsektor zementieren. Sie verbreiten zudem Fake-News, denn wer arbeitet, bekommt hierzulande immer mehr Geld als Bürgergeld-Empfänger*innen.

Die Behauptung, dass viele lieber Bürgergeld beziehen als zu arbeiten, ist purer Populismus und stigmatisiert Bürgergeld-Bezieher*innen. Wahr ist: Von den über 5,5 Millionen Menschen, die Bürgergeld erhalten, stehen knapp 4 Millionen dem Arbeitsmarkt gar nicht zur Verfügung: wegen ihres Alters (unter 15 Jahren), ihrer Gesundheit, der Pflege von Angehörigen oder weil sie bereits in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sind. Fast 800 000 Menschen verdienen außerdem so wenig, dass sie ergänzend Bürgergeld benötigen, um ihr Existenzminimum halbwegs zu sichern. Wer wirklich „Anreize für Arbeit“ verbessern möchte, der muss die Tarifbindung stärken und den Mindestlohn deutlich anheben.

In diesen kritischen Zeiten der Verunsicherung und Polarisierung braucht es einen starken und verlässlichen Sozialstaat, der Lebensrisiken angemessen absichert und Menschen dabei unterstützt, auf eigenen Beinen zu stehen, und sie nicht abwertet. Dazu gehören ein höherer Regelsatz, die Stärkung der sozialen Sicherung und mehr Zukunftsinvestitionen in Arbeit, Umwelt und Bildung.

• Arbeiterwohlfahrt Bundesverband AWO Michael Groß • Der Paritätische Gesamtverband Ulrich Schneider • Diakonie Deutschland Ulrich Lilie • SoVD Sozialverband Deutschland Michaela Engelmeier • Sozialverband VDK Deutschland Verena Bentele • Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Verdi Frank Werneke • Volkssolidarität Bundesverband Susanna Karawanskij 17. Januar 2024

www.der-paritaetische.de/fileadmin/user_upload/Seiten/Presse/docs/Aufruf_B%C3%BCrgergeld.pdf

Abb. (PDF): Logo der Aktionseinheit