Politische Berichte Nr.01/2024 (PDF)20
Gewerkschaften/Soziale Bewegung

Streik bei Tesla in Schweden

Von Jonathan Herlitz, Stockholm

01 IG Metall solidarisch Bruno Rocker, Berlin

Elon Musk ist der reichste Mann der Welt und CEO des Elektroautoherstellers Tesla. Keiner der weltweit 130 000 Beschäftigten des Unternehmens ist durch Tarifverträge abgesichert. Musk ist offen gewerkschaftsfeindlich, und wenn Beschäftigte versucht haben, sich gewerkschaftlich zu organisieren, sind sie auf den Widerstand von Tesla mit Entlassungen und Gewerkschaftszerschlagung gestoßen. Seit dem 27. Oktober findet in Schweden zwischen Tesla und der schwedischen Industriegewerkschaft IF Metall einer der größten Arbeitskonflikte seit Jahren statt. Dies ist das erste Mal, dass Tesla mit einem Arbeitskampf konfrontiert wird, und es ist kein Zufall, dass dies in Schweden geschieht – einem Land mit starken Gewerkschaften, in dem Tarifverträge die Norm sind.

Das schwedische Arbeitsmarktmodell

Das Saltsjöbad-Abkommen von 1938 legte den Grundstein für das schwedische Modell mit Regeln für die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Ziel war es, dass die Parteien mit Hilfe von Tarifverträgen die Arbeitsbedingungen regeln und Konflikte auf dem Arbeitsmarkt ohne Einmischung von Staat und Politik lösen. In der Vereinbarung verpflichteten sich die Arbeitgeber auch, nicht auf das Mittel des Streikbruchs zurückzugreifen. Die Zeit vor der Vereinbarung von Saltsjöbad war sehr turbulent und konfliktreich. Seitdem ist der Arbeitsmarkt friedlicher und von einem Konsens zwischen den Parteien geprägt.

Tarifverträge sind die Grundlage des schwedischen Modells und gelten derzeit für fast neun von zehn Arbeitnehmern. In Schweden gibt es keine gesetzlichen Mindestlöhne, und ohne Tarifverträge gibt es keine Untergrenze, wie niedrig die Entlohnung sein kann. Würden die schwedischen Gewerkschaften akzeptieren, dass Unternehmen keine Tarifverträge abschließen, würden sie auch einen Wettbewerb akzeptieren, der auf niedrigeren Löhnen und schlechteren Bedingungen beruht. Dies wäre nicht nur für die Arbeitnehmer von Nachteil, sondern auch für die Arbeitnehmer in anderen Unternehmen, da die Gefahr besteht, dass die Löhne und Arbeitsbedingungen in der gesamten Branche nach unten gedrückt werden. Dies würde letztlich das schwedische Modell gefährden.

Im internationalen Vergleich ist der schwedische Arbeitsmarkt friedlich und die Gewerkschaften streiken selten, aber wenn sie streiken, sind sie so konfliktstark wie nur wenige andere Gewerkschaften auf der Welt. Die schwedischen und nordischen Gewerkschaften können nicht nur um ihrer selbst willen streiken, sondern auch von anderen Gewerkschaften durch Sympathiemaßnahmen unterstützt werden, was z.B. in den USA oder Deutschland nicht erlaubt ist.

Entwicklung des Streiks

Seit über fünf Jahren versucht IF Metall, die schwedische Tesla-Tochter TM Sweden zur Unterzeichnung eines Tarifvertrags zu bewegen. Trotz langwieriger Verhandlungen hat sich Tesla geweigert, einen Tarifvertrag zu unterzeichnen. Tesla hat keine Autofabriken in Schweden, aber elf Werkstätten, in denen rund 130 Mechaniker die Autos warten und reparieren. Am 27. Oktober traten die Mitglieder von IF Metall in den Tesla-Werkstätten in den Streik. Eine Woche später wurde der Streik auf alle Mitglieder in den Werkstätten, die Tesla-Fahrzeuge warten und reparieren, ausgeweitet. Wesentlich geht es bei dem Streik um bessere Löhne, Renten, Versicherungen und Mitspracherechte für alle Tesla-Beschäftigten. Im weiteren Sinne geht es aber auch um die Verteidigung des schwedischen Modells von Tarifverträgen.

Die Streikaktionen haben es nicht geschafft, den Betrieb von Tesla zu stoppen, und trotz des Streiks arbeiten viele Mechaniker weiter. Die Tatsache, dass Tesla Streikbrecher eingesetzt hat, verstößt gegen die Norm auf dem schwedischen Arbeitsmarkt und hat zu einer starken Eskalation des Konflikts geführt. IF Metall hat daher Streikbrecher ausgeschlossen und den Streik auf weitere Unternehmen ausgeweitet, um den Betrieb von Tesla zu beeinträchtigen. Dazu gehört das Unternehmen Hydro Extrusions, das für Tesla Komponenten herstellt, die in der Gigafactory in Berlin-Brandenburg verwendet werden.

Darüber hinaus haben neun schwedische Gewerkschaften Sympathiemaßnahmen ergriffen, um IF Metall zu unterstützen. So wird die Elektrikergewerkschaft die Wartung und Reparatur elektrischer Geräte in Teslas Werkstätten und Ladestationen einstellen, die Immobilienarbeitergewerkschaft wird die Reinigung von Werkstätten und Büros einstellen, die Gewerkschaft für Dienstleistung und Kommunikation (SEKO) wird die Zustellung von Post und Bauteilen (einschließlich Nummernschildern für Neuwagen) einstellen, die Bauarbeitergewerkschaft wird künftige Servicearbeiten und Bauarbeiten in Teslas Servicewerkstätten blockieren, und die Transportarbeitergewerkschaft wird die Verschiffung neuer Tesla-Autos von Schiffen in allen schwedischen Häfen blockieren.

Die Sympathieaktion hat auch auf die nordischen Gewerkschaften in Dänemark, Norwegen und Finnland übergegriffen, wo Hafenarbeiter den Transport von Tesla-Autos nach Schweden stoppen. Damit soll es Tesla erschwert werden, die schwedische Blockade zu umgehen. Der Streik hat auch internationale Unterstützung von Gewerkschaften wie der UAW in den USA und der IG Metall in Deutschland erhalten. Tesla gelingt es jedoch, die Blockaden auf verschiedene Weise zu umgehen. Unter anderem transportiert Tesla die Autos auf dem Landweg aus Deutschland, hat Ersatzkennzeichen für die Autos bestellt, die direkt an den neuen Autobesitzer geschickt werden, und Tesla plant die Eröffnung einer eigenen Reparaturwerkstatt.

In der Bevölkerung ist die Unterstützung für den Streik groß. Laut einer von Novus im Auftrag der Zeitung Svenska Dagbladet durchgeführten Umfrage unterstützen fast sechs von zehn Schweden den Streik und nur zwei von zehn sind dagegen. Es gibt jedoch auch Stimmen, die gegen den Streik sind und eine Änderung der schwedischen Konfliktregeln fordern. Trotz des Drucks von Tesla und des Arbeitgeberverbands IKEM, dem Hydro angehört, hat sich die Regierung in dem Konflikt bisher neutral verhalten.

Es ist schwer zu sagen, wie lange der Streik dauern wird, da die Parteien derzeit weit voneinander entfernt sind. IF Metall kann den Konflikt noch lange fortsetzen und verfügt über einen Streikfonds, der 500 Jahre lang reicht. Obwohl Schweden im weltweiten Vergleich ein kleiner Markt ist, ist Tesla immer noch das meistverkaufte Automodell in Schweden. Es scheint daher unwahrscheinlich, dass Tesla Schweden verlässt, anstatt einen Tarifvertrag zu unterzeichnen. Derzeit finden keine Verhandlungen statt, aber es werden Gespräche geführt. Der Vertragssekretär von IF Metall, Veli-Pekka Säikkälä, hat eine Lösung erwähnt, die akzeptiert werden könnte, bei der Tesla, ähnlich wie Amazon, seine schwedischen Betriebe in einem anderen Unternehmen unterbringen würde, das einen Tarifvertrag hat. Das Ergebnis des Streiks bleibt abzuwarten – aber unabhängig davon hat der Streik den Druck und Wind der Gewerkschaften auf Elon Musks Modell und Tesla noch stärker werden lassen. Vielleicht weht er sogar bis nach Deutschland?

Abb. (PDF): Quellle: www.ifmetall.se/aktuellt/tesla/. Bei Aufruf der Webseite mit Edge ist eine maschinelle Übersetzung aus dem Schwedischen ins Deutsche möglich (rechte Maustaste).

01

IG Metall solidarisch

Bruno Rocker, Berlin

Dirk Schulze, IG Metall Bezirksleiter in Berlin-Brandenburg-Sachsen unterstützt den Streik bei Tesla in Schweden und erklärte für die IG Metall bereits im November 2023 an die Tesla-Beschäftigten gewandt:

„Ihr geht mit eurem Streik voran und macht deutlich, dass auch bei Tesla keine gewerkschaftsfreien Räume zugelassen werden. Euer Streik gibt auch den Kolleginnen und Kollegen in Grünheide Mut und Zuversicht, sich gewerkschaftlich zu organisieren und ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.“

Die knapp 11 000 Tesla-Beschäftigten in Grünheide im Land Brandenburg (nahe Berlin) kämpfen seit Beginn der Produktion im neuen Werk mit der IG Metall gegen schlechte Arbeitsbedingungen und extreme Arbeitsbelastung aufgrund kurzer Taktzeiten, Personalmangel und überzogener Produktionsziele. Die Belegschaft setzt sich zu einem hohen Anteil aus Pendlern, zum Teil bis aus Polen kommend, zusammen. Immer wieder werden gravierende Mängel beim Gesundheitsschutz und bei der Arbeitssicherheit festgestellt. Das noch junge Tesla-Werk verzeichnet in seiner bisherigen Geschichte eine ungewöhnlich hohe Zahl von Arbeitsunfällen und Krankenstände von teilweise bis zu 30 Prozent, berichtet die IG Metall. Die Gewerkschaft ist bemüht um die Gewinnung von neuen Mitgliedern. Ende letzten Jahres verzeichnete sie stolz erstmals über 1000 Mitglieder. Das ist gut, dennoch aber sind es kaum mehr als 10 Prozent und im Vergleich mit anderen Automobilwerken noch deutlich zu wenig. Firmenchef Elon Musk zeigt kein Entgegenkommen gegenüber Gewerkschaften und kündigt angesichts der in letzter Zeit unter Druck geratenen Tesla-Aktie derweil neue Modelle und neue „revolutionäre“ Produktionstechniken für die nächsten Jahre an.

igmetall-bbs.de/aktuelles/meldung/solidaritaet-mit-streikenden-tesla-kolleginnen-in-schweden