Politische Berichte Nr.02/2024 (PDF)21b
Gewerkschaften/Soziale Bewegung

Flug-, Zug- und Nahverkehr: Work-Life-Balance aus dem Tritt

Thorsten Jannoff, Gelsenkirchen. In den verschiedenen Tarifauseinandersetzungen im Infrastrukturbereich Verkehr sind nach teils heftigen Streiks erste Ergebnisse erzielt worden. Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) feiert sich u.a. für die Durchsetzung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich bis 2029, mit einem freiwilligen Korridor bis zu 40 Stunden. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) weist indes darauf hin, dass ihre Mitglieder „über den Zeitraum des EVG-Tarifvertrages rund 3 000 Euro mehr in der in der Tasche (haben) als bei der GDL.“ Außerdem würden diese über ein Wahlmodell mit bis zu zusätzlichen 12 Urlaubstagen über mehr planbare Zeit verfügen.

Im Bereich des Bodenpersonals bei der Lufthansa gab es mit dem Schlichter Bodo Ramelow kurz vor Ostern eine Einigung, die Verdi als „historisch“ einordnet. Es seien echte Reallohnzuwächse erzielt worden und „eine Reihe von Verbesserungen, wie zum Beispiel die Angleichung der Ost-Tarifverträge an Westniveau oder die Wiedereinführung der Schichtzulage“. Für die Luftsicherheit soll am 7. April und damit nach Redaktionsschluss dieser Zeitung eine Schlichtungsempfehlung vorliegen.

Im Bereich des ÖPNV gibt es ein gemischtes Bild. So werden in Baden-Württemberg und in NRW gerade Urabstimmungen für Erzwingungsstreiks durchgeführt. Dagegen sind in in Hamburg, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz erste Tarifabschlüsse erzielt worden. Alle diese Abschlüsse beinhalten entlastende Elemente und bessere Bezahlung für Schichtarbeit.

Die Arbeitskämpfe im Flug-, Zug- und Nahverkehr haben gemeinsam, dass die Beschäftigten dort einem extrem fremdbestimmten Arbeitsregime unterworfen sind, das durch die Fahrpläne streng getaktet ist. Unregelmäßige Schichtarbeit sorgt für große Schwierigkeiten am sozialen Leben teilzunehmen, Freundschaften und/oder eine Partnerschaft aufzubauen bzw. zu erhalten – insbesondere, wenn der oder die Partner/in ebenfalls in Schichtarbeit arbeitet – oder Kinder groß zu ziehen. Letzteres ist als Alleinerziehende/r fast schon unmöglich. Von Work-Life-Balance kann kaum eine Rede sein, das erklärt wohl auch die große Streikbereitschaft. Die Gewerkschaften versprechen sich von der Verbesserung der Arbeitsbedingungen eine steigende Attraktivität für diese Berufe, um dem Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen. Ob das aufgeht, wird sich zeigen.Abb:

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