Aus Politische Berichte Nr. 04/2019, S.08 • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

dok: Aktionen – Initiativen: Umstrittenes Urheberrecht – Thorsten Jannoff, Gelsenkirchen

01 Initiative Urheberrecht begrüßt Ergebnis der Abstimmung

02 Die Zukunft der Urheberinnen und Urheber

03 Urheberrechtsreform: Rat entscheidet wohl am 15. April

04 EU-Urheberrechtsreform: Fragwürdige Marktbereinigung statt fester Grundrechte

05 Urheberrechtsreform darf nicht das letzte Wort sein

Thorsten Jannoff. Die umstrittene Reform des Urheberrechts wurde am 26. März vom EU-Parlament verabschiedet und steht am 15. April im Europäischen Rat zur Abstimmung. Wenn diese dort auch eine Mehrheit findet, müssen die Mitgliedsstaaten der EU den Kompromiss noch einmal bestätigen. Danach wird die Richtlinie im Amtsblatt der EU veröffentlicht und muss innerhalb von zwei Jahren in nationales Recht umgesetzt werden. Die Reform soll für die Durchsetzung dessen sorgen, was sonst im durchregulierten Kapitalismus gültig ist. Die Produzenten, in diesem Fall von Kunst und Kultur, sollen für die fremde Verwertung ihrer geleisteten Arbeit und ihrer Produkte bezahlt werden. Gegen diese Regulierung für dieses berechtigte Interesse formierte sich größtenteils in Deutschland heftiger Widerstand. Die Befürchtung ist, dass damit ein anderes berechtigtes Interesse auf dem Spiel steht, die Meinungsfreiheit. Im Fokus der Kritik stehen die sog. Uploadfilter. In der emotionalen und polarisierenden Debatte gingen konstruktive Vorschläge für eine Verbesserung der Reform im Sinne der Meinungsfreiheit und der Rechte der Produzenten unter, etwa mit welchen technischen Weiterentwicklungen beides gewährleistet werden könnte.

01

Initiative Urheberrecht begrüßt Ergebnis der Abstimmung

Berlin. Die Initiative Urheberrecht begrüßt die Annahme der Urheberrechtsrichtlinie durch das EU-Parlament. Mit der Richtlinie, die nun in nationales Recht umgesetzt werden muss, werden wichtige Grundlagen zum fairen Umgang mit dem Urheberrecht in der digitalen Informationsgesellschaft gelegt.

Die großen Plattformen werden in die Verantwortung genommen: Sie müssen in Zukunft die Urheber*innen und Künstler*innen und Rechteinhaber der auf ihren Plattformen verbreiteten Werke im Rahmen von Verträgen vergüten. Die Nutzer*innen werden dagegen zukünftig weitgehend von der Verantwortung freigestellt. Durch die weiteren Vorschriften wird der Zugang zu Werken erleichtert und werden die Rechte der Urheber*innen und Künstler*innen gestärkt. (…() Die Initiative Urheberrecht hofft, dass die von den Tech-Konzernen und einigen Politiker*innen aufgrund von Fehlinformationen ausgelösten Widersprüche zwischen Nutzer*innen, Urheber*innen und Rechteinhabern im Zuge der Umsetzung aufgelöst werden können. Gerhard Pfennig: „Wir alle wollen das Internet nicht zensieren, sondern gemeinsam zu einem demokratischen Medium weiterentwickeln.“

In der Initiative arbeiten mittlerweile mehr als 35 Verbände und Gewerkschaften zusammen, die die Interessen von insgesamt rund 140 000 Urheber/innen und ausübenden Künstler/innen vertreten. Die Initiative versteht sich als alle Sparten kreativen Schaffens bündelndes Diskussionsforum, das sich aktiv für die Belange der Urheber/innen und ausübenden Künstler/innen einsetzt. Die Initiative ist für weitere Organisationen offen.

urheber.info/sites/default/files/story/files/190326_pm_ini_urheberrecht_eu-richtlinie_abstimmung_ep.pdf

02

Die Zukunft der Urheberinnen und Urheber

Brüssel. (22.3.2019) Die Abgeordneten des Europäischen Parlaments werden am Dienstag, dem 26. März 2019, über die „Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“ abstimmen. Dies ist ein historischer Moment, dessen Folgen für die Zukunft aller Urheberinnen und Urheber in Europa, in den verschiedenen Kreativbereichen und insbesondere im Buchsektor, entscheidend sein wird. Aus diesem Grund fordern die Organisationen, die knapp zwanzigtausend Autoren, Schriftstellerinnen, Übersetzer und Übersetzerinnen, Bloggerinnen und Drehbuchautoren aus mehreren europäischen Ländern (Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien) repräsentieren, die gewählten Vertreter des Europäischen Parlaments nachdrücklich auf, ihre Verantwortung ernst zu nehmen und für die Annahme dieser Richtlinie am 26. März dieses Jahres zu stimmen.

Der Richtlinien-Entwurf enthält alle erforderlichen Voraussetzungen, um den Zugangs für die größtmögliche Zahl von Menschen zu kreativen Werken in der digitalen Welt zu gewährleisten, indem sie sicherstellt, dass die Grundsätze des Urheberrechts beachtet werden, und dass die Urheber und Urheberinnen eine angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Werke im Internet erhalten.

Online-Content-Sharing-Dienstleister erwirtschaften mit der Verbreitung kultureller Inhalte astronomische Einnahmen, ohne im Gegenzug relevant zur Finanzierung der künstlerischen Werke beizutragen.

Es ist normal und fair, dass die Urheberinnen und Urheber der über diese Plattformen vertriebenen Werke eine Vergütung erhalten, die proportional zu ihrer Nutzung ist.

Die „Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“2x erkennt somit das Recht der Urheberinnen und Urheber auf eine angemessene und verhältnismäßige Vergütung für die Nutzung ihrer Werke an (Artikel 14) und sieht die Möglichkeit vor, die Bedingungen ihrer Vergütung im Falle eines wirtschaftlichen Erfolgs neu zu verhandeln (Artikel 15). Sie erweitert die Verwendung von Nutzungslizenzen (Artikel 13) und schließt den entstandenen value gap. Sie fördert außerdem den grenzüberschreitenden Zugang zu Werken für Forschungs- und Lehrzwecke (Artikel 3, 4, 5 und 7).

Alle diese Bestimmungen bringen für die Urheberinnen und Urheber, aber auch für die Internetnutzer und -nutzerinnen erhebliche Fortschritte, da sie die Voraussetzungen für die Entwicklung eines vielfältigen kulturellen Angebots im Internet schaffen.

Lena Falkenhagen, VS | Marie Sellier, SGDL | Natale Antonio Rossi, FUIS | Manuel Rico Rego, ACE (vier Organisationen von Schriftstellerinnen, Übersetzern und Übersetzerinnen, Bloggerinnen und Drehbuchautoren aus Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien)

https://vs.verdi.de/themen/nachrichten

03

Urheberrechtsreform: Rat entscheidet wohl am 15. April

Berlin. Die endgültige Abstimmung im Europäischen Rat über die Reform des Urheberrechts wird voraussichtlich eine Woche später als gedacht stattfinden. Als Termin sei nun der 15. April 2019 wahrscheinlich, sagte ein Sprecher der Vertretung der EU-Staaten am Mittwoch in Brüssel. Es könne jedoch noch Änderungen geben. Ursprünglich stand der 9. April im Raum. Einen Grund, warum das Votum nun für den 15. April geplant sei, konnte der Sprecher nicht nennen, meldet die Nachrichtenagentur dpa.

Das Europäische Parlament hatte der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt am 26. März mit Mehrheit zugestimmt …

www.urheber.info/aktuelles/2019-03-27_urheberrechtsreform-rat-entscheidet-wohl-am-15-april

04

EU-Urheberrechtsreform: Fragwürdige Marktbereinigung statt fester Grundrechte

Brüssel. Martina Michels, Mitglied im EP-Kulturausschuss (CULT), sprach in der heutigen Debatte und kommentiert die darauffolgende finale Abstimmung zur EU-Urheberrechtsrichtlinie. Der Text von Axel Voss (CDU), gegen den alle sieben Die Linke.-Abgeordneten stimmten, wurde mit 348 zu 274 Stimmen angenommen:

„Eine Reform und vor allem auch eine Harmonisierung des europäischen Urheberrechts wäre nötig gewesen und hätten wir auch sehr begrüßt, denn wir sind uns einig, dass das Urheber- und Urheberinnenrecht an das 21. Jahrhundert angepasst werden muss. Doch es votierte eine Mehrheit des Plenums dafür, sich weiterhin im 20. Jahrhundert zu verstecken: Naive Technikgläubigkeit und härtester Lobbyismus von Springer & Co. haben dazu geführt, dass wir jetzt mit einer Richtlinie konfrontiert sind, die die Meinungsfreiheit bedroht, die Medienpluralität einschränkt und den meisten Kreativen keinen Cent mehr bringen wird. Dass eine Mehrheit der Abgeordneten den Sinn von Memes oder Parodien infrage stellt, kann nicht der Weisheit letzter Schluss für ein Gesetz sein, das die künftige gesellschaftliche Kommunikation in Schranken weist. Am Ende werden die heute getroffenen Entscheidungen die großen Plattformen sogar noch reicher machen als sie ohnehin schon sind, weil sie ihre Uploadfilter-Technologien massenhaft in Lizenzen weiterverkaufen können und werden.“

„Wir haben verpflichtende Uploadfilter, wie sie in Artikel 13 (jetzt 17) vorgeschlagen sind, von Beginn an abgelehnt. Sie können urheberrechtlich geschützte Werke nicht eindeutig identifizieren und vor allem nicht unterscheiden, ob sie nur zitiert, parodiert, nachgeahmt oder in einem Remix neu geschöpft werden. Vor allem geht es hier auch darum, private, meist US-amerikanische Unternehmen mit der privaten Rechtsdurchsetzung zu beauftragen, damit sollen Facebook, Google & Co. künftig darüber entscheiden, was rechtens und was Unrecht ist. Uploadfilter und private Rechtsdurchsetzung sind jedoch die falschen und gefährliche Mittel der Wahl, um mehr Einkünfte für Kreative zu generieren.“

„Ähnlich absurd finden wir die ‚Linktax‘ auf anmoderierende Presseartikel (Leistungsschutzrecht). Deutschland wie Spanien haben den Praxistest so offensichtlich an die Wand gefahren, dass es eine europäische Lösung auf diese Weise nicht besser machen wird. Zahlreiche Medien – darunter auch ZEIT ONLINE oder die TAZ – veröffentlichten im letzten Jahr die Zahlen ihres Traffics: Zwischen 40 und gar 80 Prozent des Traffics dieser online Medien wird durch Google oder die ‚sozialen‘ Netzwerke generiert. Wenn dieser Strom abbricht, werden die Gehälter der Kreativen sicher nicht anwachsen. Hier werden also Brücken eingerissen, ohne Alternativen aufzubauen.“

„Der Fokus auf diese beiden Artikel und deren Konfliktfelder hat überdies eines der Anliegen der Reform – nämlich vernünftige Ausnahmen für Kulturerbe, Bildung und Wissenschaft europäisch zu harmonisieren – völlig in den Hintergrund geschoben, obwohl ich mir auch hier viel mehr gewünscht hätte.“

„Last but not least: Die Artikel, die Kreativen eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Verwertern gebracht hätten, wurden im Trilog abgeschwächt. Es gab viele Gründe, heute gegen die Artikel 13 (jetzt 17) und Artikel 11 (jetzt 15) zu stimmen. Man kann fair und ehrlich Interessen abwägen, aber Meinungsfreiheit lässt sich nicht in einen Ausgleich zu Eigentumsrechten bringen. Beide Rechtsgüter sind in einer Richtlinie zu garantieren. Genau das ist hier aber nicht gelungen. Es wurden die Bedenken von über fünf Millionen Bürginnen und Bürgern ignoriert, von Verbänden, in denen auch Kreative organisiert sind, von Wissenschaft und NGOs. Egal, wie Uploadfilter im Artikel 13 (17) umschrieben werden: Kleinere Provider können nicht mit der ganzen Welt Lizenzen aushandeln. Das ist absurd und unrealistisch. Die kostspielige Filterpflicht bleibt. Plattformregulierung sieht anders aus: Digitalsteuer, ethische Algorithmen, strenges Kartellrecht. Deshalb haben alle sieben Abgeordneten der Linken im EP das Ergebnis des Trilogs abgelehnt, wie bereits im September im Plenum. Es geht nicht um Marktbereinigung, sondern um die freie Kommunikation im 21. Jahrhundert, analog und digital. Und wenn diese bedroht ist, auch wenn nur theoretisch, dürfen wir keine fragwürdigen Kompromisse machen, schon gar nicht, wenn damit die online Kommunikation der Zukunft geregelt werden soll.“

https://www.dielinke-europa.eu/de/article/12303.eu-urheberrechtsreform-fragwürdige-marktbereinigung-statt-fester-grundrechte.html

05

Urheberrechtsreform darf nicht das letzte Wort sein

Berlin. Zum Ergebnis der Abstimmung im EU-Parlament über die EU-Urheberrechtsreform sagt Katja Kipping, Vorsitzende der Partei Die Linke:

Diese Reform war von Anfang an eine Fehlkonstruktion. Bei der Unterdrückung unautorisierter Nutzungen schießt sie über das Ziel hinaus, während sie bei der Stärkung der Rechte der Urheberinnen und Urheber eine zeitgemäße Vision vermissen lässt. Bei mir verfestigt sich der Eindruck, dass hier die Urheberinnen und Urheber vorgeschoben wurden, um die Interessen der Rechte-Verwertungsindustrie zu bedienen. Leider mit Erfolg:

Die umstrittene EU-Urheberrechtsreform ist beschlossen, mit allen Folgen, die das für das Internet haben wird. Wir, die wir uns dagegen eingesetzt haben, werden jetzt natürlich nicht die Hände in den Schoß legen. Im Gegenteil sehe ich das als Ansporn, dass wir ein neues, besseres Urheberrecht auf den Weg bringen müssen. Ein Urheberrecht, das die Rechte der Urheberinnen und Urheber stärkt und gleichzeitig die Entwicklung der digitalen Welt als Chance begreift, nicht als Bedrohung. Ich hoffe sehr, dass die Bewegung, die dieser Tage im Netz und auf der Straße laut zu hören war, dabei aktiv bleibt. Gemeinsam können wir Druck für eine bessere Lösung machen.

Eine solche Lösung dazu könnten Pauschallizenzen sein, bei denen die Vergütung direkt an die Urheberinnen und Urheber fließt, ohne Umweg über die Verwertungsindustrie. Als Alternative zu Uploadfiltern funktioniert das natürlich nur, wenn es europaweit eingeführt wird.

www.die-linke.de/start/presse/detail/eu-urheberrechtsreform-darf-nicht-das-letzte-wort-sein/?no_cache=1&cHash=27694b42117c3936767e7feeb2387f80

Abb. (PDF): Alle Abgeordneten von Die Linke. (Sabine Lösing und Gabi Zimmer nicht im Bild) haben die Artikel 13 und Artikel 11 sowie die gesamte Vorlage abgelehnt.