Aus Politische Berichte Nr. 04/2019, S.16 • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Staub war gestern – Gemeinsam zur staubarmen Baustelle

D ie öffentliche Meinungsbildung im Streit (eher) isolierter Interessengruppen wird durch institutionelle Strukturen und streng fachliche Debatten erleichtert, wie bei der Feinstaubbelastung für Umwelt und Mensch im Arbeitsleben. Unternehmer und Gewerkschaften/Beschäftigte handeln Präventionsansätze und -praktiken in den Berufsgenossenschaften aus. Anerkannte Probleme können so lösungsorientiert bearbeitet werden, in direkter Kooperation der diversen Akteure. Sicher muss um die Anerkennung von Problemen gerungen werden, der Vorteil strukturierter Arbeitsbeziehungen sticht aber ins Auge. Gerade in der BG BAU hat sich ein Vorgehen etabliert, bei dem Präventionsansätze mit den Beteiligten ausgearbeitet werden, auch unter Einbeziehung derkasten

01 INFO -Staubarme Techniken auf die Baustellen!

Von Dr. Reinhold Rühl, Frankfurt am Main und Rolf Gehring, Brüssel

Mit der Kampagne „Staub war gestern“ wollen in Deutschland die Sozialpartner der Bauwirtschaft sowie die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft zum staubarmen Bauen, Renovieren und Reinigen kommen. Was waren die Hintergründe für diesen Weg, wie soll er beschritten werden und was genau ist das Ziel?

Der Weg zu „Staub war gestern“

2014 wurde in Deutschland der Grenzwert für A-Staub (Alveolengängige Staubfraktion) von 3 auf 1,25 mg/m³ abgesenkt. Dies war die Initialzündung für die Sozialpartner der Bauwirtschaft, einen Gesprächskreis „Staubminimierung auf Baustellen“ zu gründen. Die Arbeitnehmer wollen die Staubbelastung auf Baustellen unter den neuen Grenzwert senken, denn jährlich werden etwa 100 Quarzstauberkrankungen von Bauarbeitern anerkannt.

Die Arbeitgeber haben grundsätzlich das gleiche Ziel. Zudem wird immer deutlicher, dass die Baufirmen Nachwuchsprobleme haben, auch weil kaum noch jemand auf lauten und „dreckigen“ (also staubigen) Baustellen arbeiten will.

Von einem Gesprächskreis zum Staub am Bau versprach man sich ähnliche Effekte wie von dem seit 20 Jahren bestehenden Gesprächskreis BITUMEN. Der für Gefahrstoffe zuständige Referatsleiter im Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat dazu einmal festgestellt: „Ich wünsche mir, dass die vorgestellten Initiativen des Gesprächskreises BITUMEN andere Verbände und Institutionen anregen, ihre Gefahrstoffprobleme in ähnlicher Weise aufzugreifen und zu lösen. BMAS und AGS warten auf Ihre Vorschläge!“.

Als dann 2017 ein neuer Grenzwert für Quarzstaub festgelegt wurde (0,05 mg/m³) und mit den Asbestgehalten in bestimmten Spachtelmassen, Fliesenklebern und Putzen ein weiteres Problem auftauchte, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales das Aktionsprogramm „Staubminderung beim Bauen“ gegründet.

Staub auf Baustellen

Bei Arbeiten auf Baustellen treten die unterschiedlichsten Stäube auf. Meist handelt es sich dabei um Holzstaub und/oder mineralischen Mischstaub, der bei der Bearbeitung von Sand-, Kalksand-, Ziegelstein, Gips, Zement oder Beton entsteht.

Diese Stoffe sind zum Zeitpunkt ihres Einbaus nicht gefährlich. Beim Abbrechen, Bohren, Schleifen, Dosen setzen, Schlitze fräsen usw. wird allerdings Staub in oft großen Mengen freigesetzt. Immer wird der krebserzeugende Quarzstaub freigesetzt, dessen Gefahren weiterhin unterschätzt werden.

Allen Stäuben ist gemeinsam, dass sie umso gefährlicher sind, je kleiner die Staubteilchen sind. Ist der feine Staub erst einmal aufgewirbelt, bleibt er lange Zeit in der Luft. Fast sieben Stunden benötigt ein Staubpartikel der Größe von 1µm, um einen Meter zu sinken. Entsprechend lange kann es eingeatmet werden und Menschen gefährden.

Die folgende Tabelle zeigt einige Expositionsdaten der BG BAU. Obwohl viele dieser Messungen bereits in den 90er Jahren durchgeführt wurden, geben sie auch heute oft noch die Situation auf Baustellen wieder.

A- und Quarz-Staub-Expositionen bei Bau-arbeiten ohne Schutzmaßnahmen (mg/m3)

A-Staub Quarzstaub

Grenzwerte 1,25 50

Pflaster trocken schneiden 19,2 bis 5.700

Trockenbau, schleifen 28,9 200

Trocken Kehren 8,4 400

Trocken Strahlen 63,8 2.800

Bohren in Beton 7,0 2.200

Putz abschlagen 12,5 800

Stemmen, Meißeln; Wand 9,3 800

Dosensenken bis 8,0 –

Steinmetzarbeiten, Schneiden bis 8,8 bis 3.400

Asbest in Putzen, Fliesenklebern und Spachtelmassen

Bis Ende der 70er Jahre wurde Asbest in großen Mengen in Industrie und Handwerk eingesetzt. Dann wurde rechtlich anerkannt, dass Asbest beim Menschen Krebs verursacht. Auch nach dem Asbestverbot 1993 in Deutschland war das Problem aber keineswegs gelöst. Denn in Kraftwerken, in der Schifffahrt und natürlich auch in vielen Gebäuden musste und muss weiterhin Asbest entsorgt werden. Auch 2019 ist auf Grund der langen Latenzzeit (Zeitraum zwischen Asbestexposition und Ausbruch der Erkrankung, bei Asbest etwa 40 Jahre) eine noch immer steigende Zahl von Asbesterkrankungen zu verzeichnen.

Mitte 2015 haben der VDI und der Gesamtverband Schadstoffsanierung festgestellt, dass in bis zu 25% der untersuchten Gebäude Asbest in geringen Mengen (< 1%) in Putzen, Fliesenklebern und Spachtelmassen enthalten sein kann. Die Hersteller haben diese Baumaterialien damals mit Asbest versetzt, auch Handwerker sollen Asbest auf den Baustellen den Mörteln, Putzen und Fliesenklebern zugemischt haben.

Öffentliche und private Bauherren stehen jetzt vor der Frage, ob asbesthaltige Putze, Fliesenkleber und Spachtelmassen bearbeitet werden dürfen und wenn ja, von wem. Im Anhang II Nr. 1 der Gefahrstoffverordnung heißt es, dass „Arbeiten an asbesthaltigen Teilen von Gebäuden, Geräten, Maschinen, Anlagen, Fahrzeugen und sonstigen Erzeugnissen“ verboten sind, dies aber nicht für Abbrucharbeiten, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten (ASI-Arbeiten) gilt.

ASI-Arbeiten dürfen nur sachkundige Fachbetriebe ausführen, mit entsprechender personeller und sicherheitstechnischer Ausstattung. Es gibt aber viel zu wenig sachkundige Firmen. Denn wenn wirklich in 25% aller potentiell betroffenen Gebäude Asbest in Putzen, Fliesenklebern und Spachtelmassen enthalten ist, betrifft dies Tausende von Baustellen, auf denen täglich entsprechende Arbeiten ausgeführt werden. Es besteht somit ein rechtliches und ein Kapazitätsproblem. Diese Situation wird sich in Bezug auf den rechtlichen Aspekt nicht kurzfristig ändern, das Kapazitätsproblem ohne eine Änderung der derzeitigen Sachkunde-Schulungen auch mittelfristig nicht.

Leider wird bei den Diskussionen zu Asbest in Putzen, Fliesenklebern und Spachtelmassen Quarz außen vor gelassen, dass Quarzstaub krebserzeugend ist ebenso wie Asbest. Für die EU-Kommission ist „respirable crystalline silica one of the substances with the highest respiratory health risk to construction workers, together with asbestos.“ (EU Commission, 2016). Daher ist beim Bauen, Renovieren und Reinigen immer der Einsatz staubarmer Techniken notwendig.

Asbesthaltige Putze, Fliesenkleber und Spachtelmassen sicher zu bearbeiten ist technisch heute weder ein Problem noch besonders teuer. Die technischen Lösungen sind im Kasten auf der vorigen Seite beschrieben: abgesaugte Maschinen (Abbruchhammer, Exzenterschleifer, Mauernutfräse, Dosensenker, …), Bau-Entstauber (Staubklasse M), Luftreiniger und Abschottung. Damit kann staubarm gearbeitet werden (A-, E- und Quarzstaub-Grenzwerte eingehalten) und vermutlich liegt die Asbestfaser-Konzentration dann auch unter 10 000 Fasern/m³.

Vorgehen in der Praxis

Die Schutzmaßnahmen im Kasten unterstützen das staubarme Arbeiten. Wird mit Bau-Entstaubern gereinigt, statt mit Besen gefegt, liegen die Expositionen unter dem Grenzwert für A-Staub und für Quarzstaub. Auch das Bohren mit Absaugbohrer oder Absaugglocke, das abgesaugte Dosensenken oder das Arbeiten mit abgesaugten Schlitzfräsen erfolgt nahezu staubfrei.

Zwar dürfte beim Einsatz von z.B. Absaugbohrern kaum Staub frei werden, generell aber gehören abgesaugte Maschinen und Luftreiniger gemeinsam auf die Baustelle. Schwierig ist die Akzeptanz dieser Techniken in den Betrieben, auch bei den Beschäftigten. Das staubarme Arbeiten in die Praxis zu bringen ist sicher eine Aufgabe, die Zeit braucht. Daher wäre es vermessen, hier ein kurzfristiges Ziel zu setzen. Staubarmes Arbeiten, ja sogar staubfreies Arbeiten auf Baustellen ist möglich. Erreicht wird dies flächendeckend nur, wenn alle mit arbeiten – Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Aufsichtsgremien und Hersteller.

Reinhold Rühl war Leiter des Bereichs Gefahrstoffe bei der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, Mitglied in den Gremien des Ausschuss für Gefahrstoffe und Obmann u.a. von Branchenlösungen zu Bitumen, Staub, Epoxidharzen. Er ist seit Ende 2018 im Ruhestand.

Literatur: EU Commission: Guidance for National Labour Inspectors on addressing risks from worker exposure to respirable crystalline silica (RCS) on construction sites. Senior Labour Inspectors’ Committee (SLIC), Oktober, 2016 • Klein, Helmut A.: Editorial „Branchenlösungen und Gesprächskreise – neue Wege im Arbeitsschutz“. Gefahrstoffe – Reinhaltung der Luft, 2010 (70) 273 • Rühl, Reinhold: Staub auf Baustellen. Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, ISBN 978-3-73388-0125-5, 2017

01

Staubmindernde Techniken

Für fast alle Tätigkeiten in der Bauwirtschaft gibt es staubmindernde Techniken. Häufig ermöglichen diese sogar ein staubfreies Arbeiten. Und diese Techniken sind nicht teuer. Abgesaugte Handmaschine, Bau-Entstauber und Luftreiniger sind die Minimalausstattung. Sie kosten zusammen nicht einmal 3 000 Euro. Vorabscheider sollten besonders bei hohem Staubanfall eingesetzt werden, um den Bau-Entstauber zu entlasten. Abschottungen sind immer sinnvoll und bei Arbeiten im Bestand schon aus Rücksicht auf die Bewohner unabdingbar.

• Handmaschinen mit Absaugvorrichtung

Handgeführte Maschinen und Geräte wie Mauernut- oder Putzfräsen, Trenn- oder Schwingschleifer werden auf fast allen Baustellen eingesetzt, um Beton, Holz, Ziegel- oder Mauersteine, Putz, usw. zu bearbeiten.

Noch ist das Arbeiten mit den abgesaugten Handmaschinen für viele Handwerker ungewohnt. Ausnahmslos zeigt sich aber, dass nach der erstmaligen Verwendung der Effekt derart positiv ist, dass man darauf nicht mehr verzichten will.

• Bau-Entstauber

Die im Handwerk und in der Industrie eingesetzten Entstauber/Staubsauger werden in die Kategorien L, M und H unterteilt. Dabei sind im Regelfall die Staubsauger der Kategorie L am günstigsten und Entstauber der Kategorie H die teuersten Geräte. H-Entstauber sind vor allem bekannt durch ihren Einsatz bei Asbestsanierungen. Auf Baustellen dürfen nur Entstauber mindestens der Staubklasse M verwendet werden.

Die BG BAU hat gemeinsam mit den Herstellern besondere Kriterien für Bau-Entstauber erarbeitet und eine Liste empfehlenswerter Bau-Entstauber aufgestellt.

• Vorabscheider

Vorabscheider werden zwischen abgesaugten Maschinen und Entstauber geschaltet. Sie fangen einen großen Teil des Staubes ab. Sie werden v.a. bei hohem Staubanfall eingesetzt.

• Luftreiniger

Nicht für jede Arbeit auf der Baustelle gibt es abgesaugte Handmaschinen, nicht immer kann der Staub bei der Entstehung vollständig oder nahezu vollständig von der Bearbeitungsmaschine abgesaugt werden. Hier sind Luftreiniger die Alternative, um Baustellen staubfrei zu halten.

Luftreiniger bestehen vereinfacht ausgedrückt aus einem Ventilator und Filter(n) sowie Ansaug- und Abluftöffnungen mit Ansaug- oder Abluftschlauch. Wie bei den Bau-Entstaubern wurden auch für Luftreiniger von der BG BAU mit den Herstellern Anforderungen festgelegt, die eine hohe Praxistauglichkeit auf Baustellen gewährleisten.

• Absaugbohrer

Löcher bohren setzt viel Staub frei, das weiß auch jeder Heimwerker. Dieser Staub ist sehr fein und belastet über Stunden den Raum. Dies gilt im privaten Bereich, wo vor allem kleinere Bohrer eingesetzt werden (Durchmesser bis etwa 10 mm) und natürlich auch in der Bauwirtschaft, wo durchaus Bohrer mit Durchmessern über 30 mm verwendet werden. Es gibt jedoch entsprechende Techniken, um staubarm bzw. sogar staubfrei Löcher bohren zu können.

Herkömmliche Bohrer haben eine Bohrwendel zur Förderung des Bohrstaubes aus dem Loch heraus. Absaugbohrer haben im Gegensatz dazu einen weitgehend glatten Zylinderschaft und Öffnungen an der Spitze, durch die der Staub über eine im hinteren Teil des Bohrers angebrachte Kupplung und den daran angeschlossenen Bau-Entstauber abgesaugt wird. Der Staub von Bohrlöchern wird somit an der Entstehungsstelle entfernt.

Links: Absaugbohrer; glatt, hohl, mit Löchern an der Spitze

Abb. (PDF): Es werden die entsprechenden Werkzeuge/Geräte abgebildet.