Aus Politische Berichte Nr. 05/2019, S.08 • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

dok: Aktionen – Initiativen: Abrüstung und Atomwaffenverbot

Thorsten Jannoff, Gelsenkirchen

01 Aktionstag gegen Atomwaffen am 1. Juni.

02 Jugend kämpft bei UNO für Atomwaffenverbot.

03 Umfrage: Klare Mehrheit gegen neue Atombomber.

04 Friedensbewegung zieht positive Bilanz der Ostermärsche

05 Redebeitrag der Stadträtin Brigitte Wolf (Die Linke) für den Ostermarsch München

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Aktionstag gegen Atomwaffen am 1. Juni

Berlin/Stuttgart. Anfang Februar hat US-Präsident Donald Trump den INF-Vertrag, der den USA und Russland den Besitz atomarer Mittelstreckenwaffen verbietet, gekündigt. Wladimir Putin ist daraufhin ebenfalls aus dem Vertrag ausgestiegen. Im August läuft der Vertrag voraussichtlich endgültig aus. Friedensinitiativen rufen aus diesem Anlass zu einem bundesweiten, dezentralen Aktionstag am 1. Juni 2019 für einen Nachfolgevertrag und eine Welt ohne Atomwaffen auf. Zu den Initiatoren gehören die „Deutsche Friedensgesellschaft“ (DFG-VK), die Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen (ICAN) und die Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“.

Xanthe Hall, Abrüstungsexpertin der IPPNW und ICAN-Vorstandsmitglied zeigt sich besorgt: „Ohne den Vertrag könnte es zu einem neuen atomaren Wettrüsten und zu einer Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa kommen. In den 1980er-Jahren waren es auch Friedensproteste, die zu dem INF-Vertrag und zu einer Entspannungspolitik geführt haben – jetzt müssen wir einen neuen Kalten Krieg verhindern.“

Michael Schulze von Glaßer von der DFG-VK hat den Tag konzeptioniert: „Der 1. Juni ist der 31. Jahrestag des Inkrafttretens des INF-Vertrages und bettet sich gut in die weiteren in diesem Jahr geplanten Aktivitäten für eine atomwaffenfreie Welt ein“, so der politische Geschäftsführer. „Wir rufen alle Friedensgruppen dazu auf, an dem Tag aktiv zu werden und unterstützen sie beispielsweise mit Aktionssets“, so Schulze von Glaßer weiter. Vor allem vor den Landesvertretungen der USA und Russlands sollen Proteste stattfinden. In Berlin, Hamburg, Düsseldorf, Bonn, Frankfurt und München laufen bereits die Planungen.

Anne Balzer von ICAN Deutschland macht vor allem auf die deutsche Rolle beim Thema Atomwaffen aufmerksam: „Im rheinland-pfälzischen Büchel lagern noch immer 20 US-Atomwaffen“, so Balzer. „Aktuell plant die Bundesregierung die Anschaffung neuer Kampfflugzeuge, um in Zukunft auch aufgerüstete Atombomben ins Ziel fliegen zu können“, kritisiert die ICAN-Pressesprecherin. Und weiter: „Unser Protest richtet sich auch gegen den neuen Atombomber und die atomare Teilhabe Deutschlands.“

Roland Blach von der Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt“ fordert alle Seiten zu Gesprächen auf: „Eine langfristige Lösung der aktuellen Konfrontation kann nur die Unterzeichnung des UN-Atomwaffenverbotsvertrags und die Abrüstung dieser gefährlichen Waffen bringen“, so Blach. Nur Abrüstung bringe Sicherheit.

http://www.atomwaffenfrei.de/home/artikel/74b70abddd34dc55a3477ca122ea3fe7/friedensgruppen-rufen-zum-aktionstag-gegen-atomwaffen-au.html

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Jugend kämpft bei UNO für Atomwaffenverbot

Berlin. Vom 29. April bis zum 3. Mai schickt die „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ (DFG-VK) eine Jugenddelegation zur diesjährigen Abrüstungskonferenz für Atomwaffen zu den Vereinten Nationen nach New York. Dort werden sich die jungen Delegierten für die Ächtung und das Verbot von Atomwaffen einsetzen. Zum ersten Mal in ihrer langen Geschichte wird die DFG-VK in der kommenden Woche eine Jugenddelegation zu den Vereinten Nationen nach New York entsenden. Dort wird vom 29. April bis zum 10. Mai die NPT PrepCom stattfinden. Auf der Konferenz werden die 191 Vertragsstaaten des Nuklearen Nichtverbreitungsvertrages (NPT) die anstehende Überprüfungskonferenz 2020 vorbereiten. Die DFG-VK wird in Zusammenarbeit mit der „Friedenswerkstatt Mutlangen“ 18 Delegierte im Alter von 19 bis 29 Jahren nach New York schicken. Auf dem Plan stehen zudem weitere Meetings mit Vertreterinnen und Vertretern von Atomwaffenstaaten und Unterzeichnerstaaten des Atomwaffenverbotsvertrages. Die Notwendigkeit eines solchen Vertrages und die kurz bevorstehende Auflösung des INF-Vertrages zwischen den USA und Russland werden dabei Thema sein. Ziel der Delegation ist es auch, deutlich zu machen, dass die junge Generation die Abschreckungspolitik der Atomwaffenstaaten und ihrer Partner nicht akzeptiert.

https://www.dfg-vk.de/unsere-themen/waffen-und-ruestung/jugend-k%C3%A4mpft-bei-uno-f%C3%BCr-atomwaffenverbot

03

Umfrage: Klare Mehrheit gegen neue Atombomber

Berlin. Die deutliche Mehrheit der Deutschen lehnt den Kauf neuer Atombomber ab. Das zeigt eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov, für die mehr als 2 000 Personen befragt wurden. Die neuen Kampfjets sind mit speziellen Fähigkeiten zum Abwurf von US-Atomwaffen ausgestattet. 61 Prozent der Befragten lehnen den Kauf ab, nur 18 Prozent befürworten die Ausgaben für atomwaffenfähige Kampfjets, 21 Prozent haben keine Meinung. Bei den Wählern aller Bundestagsfraktionen gibt es eine Mehrheit gegen die Atombomber, am höchsten ist die Ablehnung bei den Linken und Grünen (jeweils 82 %). Die Umfrage wurde von der Anti-Atomwaffen-Organisation ICAN in Auftrag gegeben.

Derzeit wird die Anschaffung neuer Kampfjets diskutiert, da die in Deutschland stationierten US-Atomwaffen in den nächsten fünf Jahren mit neuen ersetzt werden sollen. Die aktuellen deutschen Trägersysteme (Tornado-Kampfjets) müssten dann ebenfalls ersetzt werden. Vorab wurde den Befragten folgende Information gegeben: „Im Rahmen der „nuklearen Teilhabe“ der Nato hat Deutschland eine Fliegerstaffel auf dem Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz stationiert. Im Kriegsfall würden deutsche Piloten auf Anweisung diese Kampfjets nutzen, um US-Atombomben abzuwerfen. Um sicherzustellen, dass dies in Zukunft möglich bleibt, plant die Bundesregierung den Kauf neuer Kampfjets, die Atomwaffen abwerfen können.“

„Die Meinungsumfrage ist eine deutliche Absage an die Pläne der Bundesregierung, neue Kampfjets für Atomwaffen anzuschaffen. Statt damit weiter an der nuklearen Abschreckung teilzunehmen, sollte sich Deutschland auf den fraktionsübergreifenden Bundestagsbeschluss von 2010 besinnen und sich aktiv für den Abzug der US-Waffen einsetzen“, so Xanthe Hall, Vorstandsmitglied von ICAN Deutschland.

Um den Kauf der neuen Kampfjets zu verhindern, hat ICAN eine Online-Kampagne „Atombomber? Nein danke!“ gestartet. Auf www.atombomber-nein-danke.de können interessierte Bürger mit wenigen Klicks ihre Bundestagsabgeordnete fragen, ob sie die Anschaffung neuer Kampfjets befürwortet und wie sie sich künftig für nukleare Abrüstung einsetzt.

https://www.icanw.de/pressemeldungen/umfrage-deutsche-gegen-neue-atombomber/

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Friedensbewegung zieht positive Bilanz der Ostermärsche

Bonn. Das Netzwerk Friedenskooperative zieht eine positive Bilanz der Ostermärsche. In rund 100 Städten fanden über Ostern Aktionen für Frieden, Abrüstung und Gerechtigkeit statt. Zentrale Forderungen bei den Ostermärschen waren Abrüstung, eine atomwaffenfreie Welt und der Stopp von Rüstungsexporten.

Laut Netzwerk Friedenskooperative nimmt damit die Zahl der Teilnehmenden seit 2014 kontinuierlich zu. Dies liegt zum einen daran, dass mit Göttingen, Siegen, Eschwege und Neubrandenburg auch dieses Jahr wieder neue Ostermärsche hinzugekommen sind, aber auch daran, dass Parteien, Gewerkschaften und ökologische Bewegungen vermehrt an den Ostermärschen teilnehmen. Als Grund sieht das Netzwerk Friedenskooperative, dass friedenspolitische Themen wieder mehr ins Bewusstsein der Menschen rücken. Dazu zählt vor allem die voranschreitende Aufrüstung Deutschlands, die Gefahr eines nuklearen Wettrüstens in Europa bedingt durch das bevorstehende Aus des INF-Vertrags und die skandalösen Rüstungsexporte an menschenrechtsverletzende und kriegsführende Staaten wie Saudi-Arabien.

„Die Forderung nach Abrüstung ist für viele Menschen zentral. Sie fürchten, dass Geld nicht in Bereiche wie Rente, Bildung, Pflege oder Klimaschutz investiert werden, sondern in Raketen, Bomben und Panzer“, so Philipp Ingenleuf, Geschäftsführer beim Netzwerk Friedenskooperative.

„Auch das Thema Klimawandel war dieses Jahr durch die ‚Fridays for Future‘-Bewegung präsenter als in den Vorjahren und hat neue Menschen zu den Ostermärschen gebracht. Statt Investitionen in Rüstung braucht es dringend Investitionen in den Klimaschutz“, berichtet Philipp Ingenleuf vom Netzwerk Friedenskooperative. „Es stimmt uns positiv, dass es bei den Ostermärschen 2019 so viele Redebeiträge von ‚Fridays for Future‘-Aktiven gab, so u.a. in München, Saarbrücken, Bonn oder Hamburg.

Das Ende des INF-Vertrages zwischen Russland und den USA mobilisiert ebenfalls viele Menschen. „Das Ende des INF-Vertrages besorgt viele Menschen und hat sie wachgerüttelt. Die nukleare Bedrohung wird von mehr Menschen wieder als eine reale und existentielle Gefahr wahrgenommen“, erklärt Marvin Mendyka vom Netzwerk Friedenskooperative.

https://www.friedenskooperative.de/aktuelles/friedensbewegung-zieht-positive-bilanz-der-ostermaersche

Abb (PDF): Aufkleber gegen Kampfflugzeug

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Redebeitrag der Stadträtin Brigitte Wolf (Die Linke) für den Ostermarsch München

Liebe Münchnerinnen, liebe Münchner, liebe Friedensaktivisten, ich freue mich, Ihnen und Euch auch heute in Vertretung des Oberbürgermeisters die Grüße der Stadt überbringen zu dürfen. Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen in der Welt – der allgegenwärtigen Verschärfung der Konflikte, der Kündigung des INF-Vertrages, der Militarisierung internationaler Politik – ist es umso wichtiger, dass sich Viele für Frieden und Abrüstung einsetzen, auf vielen verschiedenen Ebenen.

Als Mitglied der ‚Bürgermeister für den Frieden‘ meldet sich auch Oberbürgermeister Reiter immer öfter zu Wort: Sei es mit einer Erklärung zur Erinnerung an die Bombenangriffe auf München vor 75 Jahren und dem Leid der Insassen des KZ Dachau, die zur Bombensuche gezwungen wurden, sei es mit Kritik an der Kündigung des INF-Vertrages und der Rückkehr auch der atomaren Aufrüstung, oder auch zur Unterstützung der ICAN-Kampagne zum UN-Vertrag über das Verbot von Atomwaffen. Immer geht es darum, dass der Frieden bewahrt und Kooperation und Solidarität gestärkt werden – damit sich die Schrecken unserer Vergangenheit nicht wiederholen.

Liebe Freunde, fast alle Staaten der Welt haben die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, unterschrieben – der Kampf gegen Hunger und Armut, für Gesundheit und Bildung, gegen Diskriminierung und Ausgrenzung, für die globale Gültigkeit der Menschenrechte. Viele in Gesellschaft und Politik unterstützen diese Ziele mit Worten, allein die Taten sprechen allzu oft eine andere Sprache.

Der einstimmige Beschluss der Nato-Staaten, ihre Rüstungsausgaben auf zwei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, ist entlarvend. Denn die globalen Probleme der Welt – Hunger, Armut, Krankheiten, Klimawandel, Umweltzerstörung – lassen sich nicht mit Waffen und Militär bekämpfen. Ganz im Gegenteil: Sie sind nichts als eine gigantische Verschwendung von Menschenleben und Ressourcen.

Zwei Prozent – diese schlichte Zahl hat es verdient, zum Unwort des kommenden Jahrzehnts zu werden. Denn:

Die Rüstungshaushalte von heute sind die Kriege von morgen.

Liebe Münchnerinnen, liebe Münchner, wir stellen entsetzt fest, dass im internationalen Zusammenleben der Staaten die mühevolle Suche nach Verständigung schwächer wird und das Herumfuchteln mit Drohungen stärker. Diese Drohungen passieren auf einer nach oben offenen Skala des Schreckens:

• die atomare Aufrüstung droht mit der Vernichtung von Zivilisation und Lebensgrundlagen

• die ferngesteuerten Waffen töten die Opfer und entmenschlichen Täterinnen und Täter, die zu heimtückischen Mördern werden

• der Cyberkrieg gegen die lebenserhaltenden Einrichtungen der zivilen Infrastruktur machen den gezielten Angriff auf die zivile Bevölkerung zum Programm – Kriegsverbrechen durch Programmierer.

Wer Krieg führen will, heißt es, braucht drei Sachen: Geld, Geld und Geld.

• Die Modernisierung der Atomwaffen kostet.

• Die Entwicklung der ferngesteuerten Waffen kostet.

• Die Entwicklung des Cyberkriegs kostet.

Die Erhöhung der Militäretats auf zwei Prozent sind ein politisches Statement: Die Politik verlangt von der Zivilgesellschaft die Finanzierung einer militarisierten Politik, die das Kriegsrisiko steigert.

Die Forderung nach Erhöhung der Rüstungsetats kommt aus den Reihen der Mächtigen dieser Welt. Sind wir, ist die Zivilgesellschaft, ist die Friedensbewegung ohnmächtig angesichts dieser vermeintlichen Übermacht? Ich sage Nein!

Stellungnahmen aus den Städten rund um den Erdball belegen das moralische Gewicht der Friedenspolitik in der zivilen Gesellschaft. Mag sein, dass weder Moral noch Vernunft die Mächtigen dieser Welt aufhalten. Aber: Es gibt in der Demokratie ein Gegenmittel:

Der Rüstungshaushalt von heute ist der Krieg oder eben der NICHT-Krieg von Morgen!

Kämpfen und arbeiten wir gemeinsam für eine starke öffentliche Kampagne, die am Ende so stark sein muss, dass sie zu parlamentarischen Mehrheiten führt. Denn: Wirksame Abrüstung ist nicht eine Folge von Völkerverständigung, sondern deren Voraussetzung.

Das ist unser Ziel, das ist unsere gemeinsame Aufgabe.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

https://www.friedenskooperative.de/ostermarsch-2019/reden/brigitte-wolf-m%C3%BCnchen

Abb (PDF): Logo Ostermarsch 2019