Aus Politische Berichte Nr. 03/2019, S.07 • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

dok: Aktionen – Initiativen - Thorsten Jannoff, Gelsenkirchen - – Öffentlicher Dienst Länder: Tarifeinigung erzielt

Nach einer eindrucksvollen Warnstreikwelle und vielfältigen Aktionen haben die Gewerkschaften Verdi, Erziehung und Wissenschaft und die Gewerkschaft der Polizei mit der Tarifgemeinschaft der Länder am 2. März 2019 eine Einigung erreicht. Eine Einigung für die Beamten steht noch aus. Wir dokumentieren im Folgenden aus Stellungnahmen der Gewerkschaften und aus deren Umfeld.

01 Erhöhung der Entgelte im Volumen von 8 Prozent!

02 GdP-Bundestarifkommission nimmt Ergebnis der Tarifrunde 2019 an

03 GEW: Ordentlicher Abschluss

04 Tarifabschluss für Landes-beschäftigte – Angriff auf die Grundlagen der Entgeltordnung abgewehrt

05 Für dieses Tarifergebnis haben wir nicht gestreikt!

06 Abschluss im öffentlichen Dienst: Bescheidener als behauptet

01

Erhöhung der Entgelte im Volumen von 8 Prozent!

Das Ergebnis im Überblick: Die Einigung sieht eine tabellenwirksame Anhebung der Gehälter im Gesamtvolumen von 8 Prozent mit einer Laufzeit von 33 Monaten vor. Darin enthalten ist eine ausgeprägte soziale Komponente. Über die Laufzeit haben alle Beschäftigten damit mindestens 240 Euro mehr im Monat.

Das Ergebnis im Detail: Rückwirkend zum 1. Januar 2019 wird es eine Lohnerhöhung von 3,2 Prozent mit mindestens 100 Euro geben, zum 1. Januar 2020 weitere 3,2 Prozent mit mindestens 90 Euro und zum 1. Januar 2021 noch einmal 1,4 Prozent mit mindestens 50 Euro. Für die Auszubildenden steigen die Vergütungen insgesamt um 100 Euro in zwei Schritten von 50 Euro, rückwirkend zum 1. Januar 2019 und zum 1. Januar 2020. Wie auch schon beim Abschluss mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) erhalten sie zudem einen zusätzlichen Urlaubstag und werden nun auch 30 Urlaubstage haben.

Und auch das wurde vereinbart: In allen 15 Entgeltgruppen im Landesdienst sollen die Einstiegsgehälter in den Eingangsstufen für Neueinsteiger aufgewertet werden. Diese Aufwertung beträgt im Volumen rund 11 Prozent und erfolgt in zwei Schritten zum 1. Januar 2020 sowie zum 1. Oktober 2020.

Die Anpassung der Jahressonderzahlung Ost-West wird nicht berührt. Der Bemessungssatz ist in Ost und West gleich. Die Garantiebeträge werden zum 1. Januar 2019 für die Dauer der Laufzeit des Tarifvertrages auf 100 Euro (Entgeltgruppen 1 bis 8) bzw. 180 Euro (Entgeltgruppen 9 bis 15) erhöht. Der jeweilige Garantiebetrag ist begrenzt auf den Unterschiedsbetrag bei einer stufengleichen Zuordnung. Die bisherige Entgeltgruppe 9 wird in die Entgeltgruppen 9a und 9b aufgeteilt.

Die monatlichen Ausbildungsentgelte der Auszubildenden nach dem TVA-L BBiG und die Tarifentgelte der Praktikantinnen und Praktikanten nach dem TV Prakt-L werden wie folgt erhöht:

a) zum 1. Januar 2019 um einen Festbetrag in Höhe von 50 Euro und

b) zum 1. Januar 2020 um einen weiteren Festbetrag in Höhe von 50 Euro.

c) Der Urlaubsanspruch erhöht sich um einen Tag auf 30 Urlaubstage.

d) Die Übernahmeregelung wird für weitere zwei Jahre wieder in Kraft gesetzt

Darüber hinaus haben wir zahlreiche strukturelle Verbesserungen in der Entgeltordnung erreicht. Als hälftigen Ausgleich der daraus entstehenden Mehrkosten wird die Jahressonderzahlung für die Jahre 2019 bis 2022 für beide Tarifgebiete festgeschrieben. Grundlage für die Berechnung der Höhe der Jahressonderzahlung sind die Entgeltwerte aus 2018.

VERBESSERUNGEN IN DER ENTGELTORDNUNG FÜR DEN SOZIAL- UND ERZIEHUNGSDieNST

Grundsätzlich erfolgt die Übernahme der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltordnung VKA für den Bereich Sozial- und Erziehungsdienst … Für Beschäftigte mit koordinierenden Aufgaben wurden in den Entgeltgruppen S 9, S 15 und S 17 eigene, neue Merkmale geschaffen … Beschäftigte mit einem Bachelorabschluss „Kindheitspädagogik“ bzw. „Elementarpädagogik“ sind wie Erzieherinnen und Erzieher einzugruppieren, wenn sie in der Erziehung von Kindern oder Jugendlichen eingesetzt sind … Das Risiko der Herabgruppierung bei der Eingruppierung der Kita-Leitungen und deren ständige Vertretungen im Falle der Unterschreitung der Durchschnittsbelegung wird deutlich vermindert … Eine Sollvorschrift zur Bestellung einer ständigen Vertretung der Leitung ist vereinbart. Hierdurch soll eine bisherige Praxis, keine stellvertretenden Kita-Leitungen zu bestellen und dadurch die entsprechenden höheren Eingruppierungen zu umgehen, ausgeschlossen werden … Mit der neuen Entgeltordnung wird es eine eigene Tabelle für den Sozial- und Erziehungsdienst auf der Grundlage der Systematik der Tabelle im kommunalen Bereich im Sozial- und Erziehungsdienst und der dort vereinbarten besonderen Stufenregelungen geben.

TARIFERGEBNIS STEHT – BESOLDUNGS¬ ANPASSUNG JETZT!

Verdi fordert, dass das Tarifergebnis zeit- und wirkungsgleich auf die Besoldung der Beamt*innen der Länder und Kommunen sowie der Richter*innen und die Dienstordnungsangestellten übertragen wird. Eine entsprechende Zusage gibt es von der Arbeitgeberseite aber nicht. Dies sei Sache jedes einzelnen Landes und der Parlamente … Für Verdi ist die Tarif- und Besoldungsrunde erst beendet, wenn das Tarifergebnis in allen Ländern auf die Besoldung übertragen ist. Deshalb wird es in den kommenden Wochen weitere Aktivitäten der Beamt*innen geben, in denen sie ihre Interessen gegenüber der Politik aktiv vertreten. Verdi ruft die Beamt*innen der Länder und Kommunen zu einer breiten Beteiligung auf!

https://www.verdi.de

02

GdP-Bundestarifkommission nimmt Ergebnis der Tarifrunde 2019 an

Malchow: Hoher Druck der Straße hat „mehr als zufriedenstellendes Ergebnis“ ermöglicht.

Nach hartem Ringen haben die Gewerkschaften in der Tarifrunde 2019 ein für die rund 800 000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (öD) in den Ländern mehr als zufriedenstellendes Ergebnis erzielt, erklärte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow am Samstagabend in Potsdam. „Der Abschluss hat eine starke soziale Komponente. Jede und jeder Beschäftigte wird über die Laufzeit hinweg mindestens 240 Euro mehr bekommen“, unterstrich Malchow. Der Verhandlungsmarathon über drei Tage und Nächte erbrachte nach GdP-Angaben eine Lohnsteigerung von acht Prozent im Gesamtvolumen bei einer Laufzeit von 33 Monaten. Die Gehälter steigen in insgesamt drei Schritten … „Wir haben gegen erbitterten Widerstand die Arbeitgeber dazu gebracht, bei der notwendigen Anpassung der Entgeltregelungen für die Länderbeschäftigten an die Beschäftigten im Bund und den Kommunen ebenfalls Zugeständnisse zu machen. Alles in allem ist das ein Abschluss, der die Attraktivität des öffentlichen Dienstes erhöht“, betonte Malchow nach der Pressekonferenz zur Vorstellung des Tarifergebnisses. Das liege vor allem auch an der überproportionalen Anhebung der Stufe 1 der Entgeltordnung um elf Prozent.

https://www.gdp.de

03

GEW: Ordentlicher Abschluss

Als „ordentlichen Abschluss“ hat die GEW das Tarifergebnis für die im öffentlichen Dienst der Länder Beschäftigten bezeichnet. Die Gehälter steigen in drei Schritten um 8 Prozent, darin enthalten ist eine soziale Komponente von 240 Euro über die Vertragslaufzeit von 33 Monaten. Der Verdienst von Berufsanfängern wird überproportional erhöht. „Das Ergebnis stärkt die Attraktivität des öffentlichen Dienstes“, sagte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe am Samstag in Potsdam nach Abschluss der Tarifverhandlungen … Als Teil des Pakets gebe es über die Gehaltssteigerungen hinaus Verbesserungen für viele Lehrkräfte. „Die Angleichungszulage der angestellten Lehrerinnen und Lehrer erhöht sich um 75 auf 105 Euro. Damit ist ein wichtiger Schritt in Richtung Paralleltabelle getan – auch wenn sich die GEW noch mehr gewünscht hätte. Aber jetzt gibt es eine verbindliche Vereinbarung über den Weg, wie die Paralleltabelle endgültig erreicht wird“, sagte Tepe. Die Gewerkschaften konnten sich zudem bei einem zentralen Thema in der Tarifrunde durchsetzen: Die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienste der Länder arbeiten ab dem 1. Januar 2020 zu den gleichen Gehaltsbedingungen wie ihre Kolleginnen und Kollegen in Bund und Kommunen. Das bedeutet für die Beschäftigten deutlich mehr Geld im Portemonnaie. „Das ist ein deutliches Zeichen der Anerkennung der gesellschaftlich wichtigen Arbeit, die Erzieherinnen sowie Sozialarbeiter und Sozialpädagogen leisten“, so Tepe.

www.gew.de

04

Tarifabschluss für Landes-beschäftigte – Angriff auf die Grundlagen der Entgeltordnung abgewehrt

„Wir haben mit dieser Einigung Anschluss an die allgemeine Einkommensentwicklung gehalten und gleichzeitig einen Frontalangriff der Länderarbeitgeber auf die Grundlagen der Entgeltordnung abgewehrt“, kommentierte der dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach das Verhandlungsergebnis zwischen Gewerkschaften und Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) am 2. März 2019 in Potsdam: „Die TdL-Forderung nach ‚Neubewertung des Arbeitsvorgangs‘ klingt vielleicht harmlos, hätte aber flächendeckend zu einer zum Teil deutlich schlechteren Eingruppierung für die Beschäftigten geführt. Das hätte jede lineare Erhöhung aufgefressen. Das konnten die Gewerkschaften verhindern.“

Das Gesamtpaket der Einigung bezeichnete Silberbach als „den sprichwörtlichen ehrlichen Kompromiss“. Auf der Habenseite stünden das lineare Gesamtvolumen von 8 Prozent, die deutliche Aufwertung der Pflegetabelle im Krankenhausbereich und die vollständige Durchsetzung der Gewerkschaftsforderungen bei den Auszubildenden.

Schmerzhafte Zugeständnisse hätten die Arbeitnehmervertreter vor allem bei der Vertragslaufzeit und beim Thema Strukturverbesserungen zur Bekämpfung des Fachkräftemangels machen müssen. Silberbach: „Gerade in den Mangelberufen hätten wir die Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes nachhaltiger stärken müssen und können. Mehr Zukunft war mit der TdL aber nicht durchzusetzen. Darauf werden wir in der nächsten Einkommensrunde zurückkommen. Für uns als dbb ist außerdem völlig klar, dass die Landesregierungen jetzt in der Pflicht sind, das Volumen des Abschlusses zeit- und systemgerecht auf die Landes- und Kommunalbeamten zu übertragen. Erst dann ist die Einkommensrunde 2019 abgeschlossen.“

https://www.dbb.de

05

Für dieses Tarifergebnis haben wir nicht gestreikt!

Ablehnen statt Austreten!

Das in vielen Medien berichtete Tarifergebnis von 8% sieht in Wirklichkeit ganz anders aus. Unter Berücksichtigung der Absenkung der Sonderzahlung beträgt die Entgelterhöhung 2019 lediglich 2,8% bis 2,9% (für die Entgeltgruppen und -stufen, in denen nicht der Mindesterhöhungsbetrag oder die Sonderregelung zur Stufe 1 angewendet wird).

Das trifft ebenso für 2020 zu: da sind es 2,9% bis 3,0% und für 2021 nur noch 1,2%.

Die gesamte Erhöhung beträgt also nur um die 7,2%, mit Sonderregelungen für einen Teil der Kolleg*innen. Wir schlagen daher vor, das Tarifergebnis vom 2.3.2019 abzulehnen!

6% bzw. mindestens 200 Euro monatlich – das waren unsere Forderungen!

https://berlineraktiongegenarbeitgeberunrecht.wordpress.com/2019/03/05/fuer-dieses-tarifergebnis-haben-wir-nicht-gestreikt/

06

Abschluss im öffentlichen Dienst: Bescheidener als behauptet

„Frank Bsirske wird hoffen, dass die Einigung, die am Samstagabend in Potsdam erzielt wurde, als krönender Abschluss seiner Laufbahn als Verdi-Chef in Erinnerung bleiben wird. Fast acht Prozent mehr Lohn: Das klingt gut. Doch wie meist ist die Laufzeit länger als von den Gewerkschaften gewünscht. Durch die Splittung fallen die erreichten Erhöhungen eher mager aus. Denn gefordert waren sechs Prozent und mindestens 200 Euro mehr pro Monat für eine Million Länderbeschäftigte, und zwar allein für dieses Jahr. Auf drei Jahre hochgerechnet wären das mehr als 18 Prozent bzw. mindestens 600 Euro brutto mehr gewesen. Angesichts der gerade in Metropolen rasant steigenden Lebenshaltungskosten und der hohen Verantwortung, die die Kolleginnen und Kollegen tragen, wäre das nur gerecht gewesen. Und der eklatante Fachkräftemangel in Schulen und Kitas, in Kliniken und Verwaltung zeigt, dass es objektiv nötig wäre. Doch hier hat erneut das Dogma der Sparsamkeit gesiegt. Und so bekommen die Beschäftigten im Jahresschnitt wenig mehr als einen Inflationsausgleich bzw. nur 80 statt 200 Euro Minimum. Immerhin: Verdi hat einen Extrazuschlag für die Krankenpflege ausgehandelt.

http://www.labournet.de/branchen/dienstleistungen/oedienst/tarif-und-besoldungsrunde-2019-mit-der-tarifgemeinschaft-der-laender-sechs-prozent-mehr-gehalt-mindestens-jedoch-200-euro/?cat=7716

Abb. (PDF): ver.die Tarifflugblatt (Auszug)