Politische Berichte Nr.1/2022 (PDF)18b
Gewerkschaften/Soziale Bewegung

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riders unite – together we fight – Fahrradkuriere wollen Tarifvertrag

Bruno Rocker, Berlin

Die Fahrradkuriere (Rider) versammelten sich am 28. Januar vor dem Lieferando-Hauptquartier in Berlin-Kreuzberg, um für bessere Arbeitsbedingungen und für bessere Entlohnung zu demonstrieren. Zu der Kundgebung hatte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) aufgerufen. Auf der Versammlung sprachen neben Vertreter der NGG auch Beschäftigte und die neue Berliner Sozialsenatorin Katja Kipping.

Der Essenslieferdienst Lieferando verzeichnet fortwährend Umsatzrekorde, weil die Nachfrage nach Essenslieferungen zuletzt stetig gestiegen ist. Der Mutterkonzern Just Eat Takeaway hatte Anfang des Jahres bekannt gemacht, dass 2021 die Umsätze gegenüber dem Vorjahr um etwa ein Drittel auf 1,1 Mrd. Dollar gestiegen seien. Die ganze Branche expandiert vor allem in den großen Städten Europas, gerade auch in der Bundesrepublik. Das DAX-Unternehmen Delivery Hero hat 235 Mio. Dollar in das Berliner Startup Gorillas investiert. Der US-Fahrdienstvermittler Uber plant für Europa hohe Investitionen mit seinem Dienst Uber Eats. Doordash, gleichfalls aus den USA kommend, plant den Zukauf des finnischen Lieferdienstes Wolt. Für ihre Lieferangebote, vornehmlich in den Metropolen, benötigen die Anbieter ein ausgefeiltes Logistiknetz und vor allem jede Menge Rider, die mit ihren in den Unternehmensfarben leuchtenden Liefertaschen auf dem Rücken, auf Fahrrädern schnellstmöglich zum Kunden unterwegs sind. Bereits jetzt sind sie im Stadtbild der großen Städte kaum mehr zu übersehen.

Die Rider sind zu Niedriglöhnen (z.B. 11 Euro/Std. bei Lieferando) angestellt, bekommen ihre Arbeitsanweisungen per E-Mail und arbeiten auch an Wochenenden und Feiertagen ohne Zuschläge. Nunmehr fordern sie gegenüber dem Mutterkonzern Just Eat Takeaway deutlich höhere Löhne und deutlich verbesserte arbeitsrechtliche Standards. Sie organisieren sich inzwischen nach und nach in der Gewerkschaft NGG und sie wollen einen Tarifvertrag durchsetzen. Der ebenfalls in Berlin ansässige Lieferdienst Gorillas war mit seinen Fahrern bereits letztes Jahr in Konflikt geraten. Die Beschäftigten setzten auch dort gegen Widerstände des Unternehmens die Wahl eines Betriebsrates durch. Auch ihnen geht es um zu niedrige Löhne, schlechte Arbeitsbedingungen und mangelnde Ausrüstung. Die Beschäftigten beginnen sich zu wehren. Vorausgegangen waren Rechtsauseinandersetzungen von grundsätzlicher Bedeutung. So wurde vor dem Bundesarbeitsgericht einem durch die NGG unterstützten Lieferando-Rider vor Gericht zugesprochen, dass er vom Arbeitgeber mit den nötigen Arbeitsmitteln (Fahrrad und Handy) ausgestattet werden muss oder für deren Verschleiß zu entschädigen ist. Das ist gut und richtig. Aber das reicht nicht.

Abb.(PDF): Mahnwache. Foto Autor