Politische Berichte Nr.1/2022 (PDF)19a
Gewerkschaften/Soziale Bewegung

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Ostlöhne angleichen – aber wie?

Bruno Rocker, Berlin

Regelmäßig nach Veröffentlichungen von Gewerkschaften oder Wirtschaftsinstituten über die Lohn- und Gehaltsentwicklung in den „alten“ und in den „neuen“ Bundesländern kritisieren unter anderem auch führende Oppositionspolitiker der Linksfraktion im Deutschen Bundestag den Status. So klagte im November 2021 nach neuen Zahlen des Arbeitsministeriums Dietmar Bartsch: „Millionen Ostdeutsche sind bei der Bezahlung weiterhin Arbeitnehmer zweiter Klasse“. Der Linke-Fraktionsvorsitzende verlangte deshalb vehement von den Ampel-Parteien, in ihrem Koalitionsvertrag eine Angleichung der Ostlöhne an die Westlöhne bis 2025 festzuschreiben.

Wie aber soll das funktionieren? Die „Lohnfindung“ in allen Branchen in der gesamten Republik geschieht nicht über Festlegungen der Regierung. Es handelt sich schließlich nicht um „Staatslöhne“. Im realen Wirtschaftsleben zählen die konkreten Regelungen in den Arbeitsverträgen. Als wirksam für das erreichbare Lohnniveau und die Qualität der Arbeitsbedingungen erweist sich immer wieder das Vorhandensein und die Stärke von Betriebsräten. Es zählen die entsprechenden Regelungen in Betriebsvereinbarungen. Noch mehr kommt es auf die Stärke und den Einfluss der Gewerkschaften an. Es geht um Tarifbindung und den Abschluss von Firmen- und Flächentarifverträgen. Dazu bedarf es starker Mitgliedszahlen, eines guten Organisationsgrades.

Die Gewerkschaften bemühen sich vor Ort um die Gewinnung neuer Mitglieder, z.B. mit Hilfe sogenannter „Organizing-Strategien“ in den Niedriglohnbereichen. Natürlich geht es in den sogenannten „abgehängten Regionen“ im Osten wie im Westen auch um regionale Strukturpolitik, um die Förderung sogenannter „Leuchtturmprojekte“ mit qualitativ höherwertigen Stellen und um die Schaffung verbesserter Angebote für die Berufsausbildung, um damit das Entgeltniveau in der Region zu heben. Die Ergebnisse der jüngsten Untersuchung des WSI der Hans Böckler Stiftung über Niedriglohnbereiche bestätigen diesen Kurs.

Die Fraktionsführung der Linken im Deutschen Bundestag sollte damit aufhören, alle Erwartungen auf die Bundesregierung zu lenken. Gute Arbeit, höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen erfordern auf Basis der Tarifautonomie Mitglieder in den Gewerkschaften und Einsatz für Tarifverträge und Tarifbindung vor Ort. Nur so ist Fortschritt möglich.