Politische Berichte Nr.2/2022 (PDF)15
Aus Kommunen und Ländern

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Kommunale Aufnahme Geflüchteter stärken

01 Seenotrettung als kommunale Aufgabe?
02 dok: Essen: Resolution gegen Krieg und für Städtepartnerschaft

Gabriele Giesecke, Essen

Gegen die Abschottungspolitik an den EU-Außengrenzen, insbesondere die völkerrechtswidrige Behinderung von Seenotrettung im Mittelmeer hat sich auch in Essen 2019 eine Seebrücke-Gruppe gebildet. Trotz durchaus beachtlicher Unterstützung aus der Zivilgesellschaft scheitert ein Ratsbeschluss, Essen zum „Sicheren Hafen“ zu erklären, bis heute an der CDU-Ratsfraktion.

Um Wege aus dieser Sackgasse zu suchen, lud die Seebrücke zu einer Diskussionsveranstaltung mit Gesine Schwan, Präsidentin der Humboldt-Viadrina Governance Platform, sowie Giulia Fellin, Leiterin des Projekts zur Stärkung von Kommunen bei der Aufnahme von Geflüchteten. Die Ziele werden auf der Homepage der Humbold-Viadrina so umrissen: „Europa braucht dringend eine mittel- und langfristige Strategie, die die Ankunft von Schutzsuchenden nicht als Bedrohung und Krise versteht, sondern Grundrechte schützt. Ausgehend von den vielen aufnahmebereiten Kommunen, verfolgen wir im Projekt Aufnahme und Integration von Geflüchteten in Europa als gemeinsame kommunale Entwicklung einen partizipativen und kommunalen Ansatz in der Asyl- und Flüchtlingspolitik. Wir zielen darauf ab, die europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik zu dezentralisieren und mit den europäischen Werten in Einklang zu bringen. Gleichzeitig soll die Demokratie auf lokaler Ebene gestärkt und die Teilhabe an kommunaler Entwicklung ermöglicht werden. Die freiwillige Aufnahme und Integration von Geflüchteten bieten die Chance, die Entwicklung der Kommune inklusiv, sicher, nachhaltig und partizipativ zu gestalten.“

Kernpunkte des Vorschlags sind die Einrichtung von kommunalen Entwicklungsbeiräten, ein EU-Integrations- und Entwicklungsfonds, EU-weite Vernetzung von Kommunen sowie ein Matching-Prozess zur Verteilung geflüchteter Menschen. Das Konzept geht davon aus, dass Kommunen sehr wohl zur eigenen Weiterentwicklung an Zuwanderung interessiert sind und von ihr profitieren. Daher sollen sich die kommunalen Entwicklungsbeiräte aus Verwaltung sowie Menschen der Zivilgesellschaft zusammensetzen, ausdrücklich unter Einbeziehung von Wirtschafts- und Geschäftsleuten. In den Beiräten sollen Perspektiven entwickelt werden, in welche Richtung sich die Kommune entwickeln und welche konkreten Projekte deshalb umgesetzt werden sollen. Z.B. wie die Abwanderung, unter der aktuell ländliche Regionen Ostdeutschlands leiden, gestoppt werden könnte. Oder wie in wachsenden Regionen dem Fachkräftemangel entgegengewirkt werden könnte. Die politische Entscheidung soll bei den gewählten politischen Organen verbleiben – die Beiräte hätten beratende Funktion.

Im Rahmen des sogenannten Matching Prozesses sollen die Körperschaften ihre Entwicklungsperspektiven darlegen und damit um Zuwanderung werben. Für einwandernde Personen ergibt sich der Vorteil, dass sie nicht willkürlich und zufällig verteilt werden, sondern einen Abgleich mit ihren Wünschen und Fähigkeiten vornehmen können.

Mit Geldern aus einem europäischen Integrations- und Entwicklungsfond sollen Kommunen bei ihren Vorhaben unterstützt werden. Sie sollen in gleicher Höhe sowohl Mittel für die Aufnahme bekommen wie für allgemeine Projekte, die als sinnvoll von ihnen bestimmt werden. Damit soll einer „Neiddebatte“ vorgebeugt werden.

Last but not least soll die Vernetzung auf EU-Ebene vorangebracht werden, um Erfahrungen mit der Aufnahme und Eingliederung (geflüchteter) Zuwandernden austauschen zu können. Hier gibt es auch schon verschiedene Initiativen. So fand unterstützt von dem Humboldt-Viadrina Governance Platform im Juni 2021 eine zweitägige Konferenz „Städte für ein solidarisches Europa“ statt.

Das skizzierte Konzept fand eine positive Aufnahme bei den gut 50 Teilnehmenden der virtuellen Veranstaltung. So konnten sich einige vorstellen, für die Idee eines Entwicklungsbeirates in Essen zu werben. Allerdings blieb vieles noch vage: Das Konzept ist zwar in einigen Punkten gut ausgearbeitet, aber bis zur Umsetzung ist noch ein weiter Überzeugungsweg.

So ist unklar, ob sich die Hoffnung erfüllt, die rot-grüne-gelbe Bundesregierung könnte das Projekt unterstützen – Gespräche stehen hier aus.

01

Seenotrettung als kommunale Aufgabe?

Gabriele Giesecke, Essen. Für das Kommunalpolitische Forum (Kopofo) NRW hat der Bonner Rechtsanwalt Michael Faber ein Rechtsgutachten zur Zulässigkeit kommunaler Unterstützung von Initiativen, die sich für die Seenotrettung von geflüchteten Menschen im Mittelmeer einsetzen, erstellt. Das Gutachten kommt zum Ergebnis, dass dies möglich ist, wenn in einer Kommune eine nennenswerte Unterstützung für dieses Anliegen vorhanden ist und der Rat der Stadt einen entsprechenden Beschluss fasst. Vor allem die (finanziellen) Unterstützung z.B. eines Veranstaltungsprogramms zur Werbung für die Anliegen von Gruppen wie der Seebrücke wäre durch die Gemeindeordnung in NRW gedeckt, so ein Ergebnis des Gutachtens.

Das vollständige Gutachten findet sich bei https://www.kopofo-nrw.de/nc/aktuell

Abb. (PDF): Plakat Seebrücke

Abb. (PDF): Wer sich weiter informieren möchte, findet Material unter:

https://www.governance-platform.org/initiativen/midi-2/kommunale_aufnahme/ Material.

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dok: Essen: Resolution gegen Krieg und für Städtepartnerschaft

Der Rat der Stadt Essen hat am 30. März einstimmig, bei Enthaltung der AfD, eine Resolution gegen den russischen Angriffskrieg verabschiedet. Neben der Verurteilung des Krieges behandelt die Resolution besonders auch die Notwendigkeit für die Fortführung der Städtepartnerschaft mit der russischen Stadt Nischni Nowgorod:

„Der Rat der Stadt Essen verurteilt den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg des Putin-Regimes gegen die Ukraine auf das Schärfste. Der Überfall ist ein Angriff auf die territoriale Integrität und das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine …

Wir bitten die Stadtverwaltung Essen darum, auch in Zukunft den Dialog mit den bei uns lebenden Ukrainerinnen und Ukrainern als auch den Russinnen und Russen fortzusetzen und Ausgrenzungsbestrebungen entschieden vorzubeugen.

Seit dem Jahr 1991 ist die Stadt Essen über eine Städtepartnerschaft mit Nischni Nowgorod verbunden. Diese Städtepartnerschaft bildet auch einen wichtigen Rahmen für zivilgesellschaftliche Initiativen und Projekte. Daraus hat sich eine gute und enge Zusammenarbeit und Verständigung der Bürgerinnen und Bürger untereinander ergeben. Wir setzen uns dafür ein, dass gerade in der aktuellen Kriegssituation diese Partnerschaft bestehen bleibt, damit insbesondere die Zusammenarbeit in den Bereichen Demokratieförderung, Kultur und internationaler Austausch gestärkt wird. Für die Zukunft soll auch weiterhin zwischen den Bürgerinnen und Bürgern der Städte Essen und Nischni Nowgorod eine stabile Grundlage für Vertrauen und Freundschaft gegeben sein. Die Partnerschaft der Städte Essen und Nischni Nowgorod wird aktuell auf eine harte Probe gestellt. Es ist eine große und gemeinsame Herausforderung, zivilgesellschaftliche Kontakte als Brücke zwischen den Bürgerinnen und Bürgern beider Städte bestehen zu lassen.

Wir appellieren an unsere Partnerstadt Nischni Nowgorod, alles dafür zu tun, den Frieden wiederherzustellen und zu bewahren sowie die friedensbewahrende Zielsetzung unserer Partnerschaft zu bekräftigen.“