Politische Berichte Nr.3/2022 (PDF)14
Kommunale Initiativen

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Frühkindliche Bildung in der Krise – Kitaplätze und Erzieher fehlen

Johann Witte, Bremen

In der Stadt Bremen fehlen nach den bisher vorhandenen Anmeldungen zum kommenden Kindergartenjahr voraussichtlich 1457 Kitaplätze davon 1212 in Kindergärten und 245 in Krippen. Besonders groß ist die Differenz zwischen der Nachfrage der Eltern und den vorhandenen Plätzen in sozial benachteiligten Stadtteilen. Trotz Neubau bzw. Ausbau von Kindergärten und der Einstellung von weiteren Fachkräften nimmt der Mangel seit Jahren weiter zu.

Bremen steht damit nicht allein. Die Zahl der Kinder in Tageseinrichtungen in Deutschland hat seit 2007 stark zugenommen. So gab es 2007 über 278 000 Kinder unter drei Jahren in Tageseinrichtungen, 2021 waren es schon über 680 000. Bei den drei- bis sechsjährigen Kindern waren es 2007 über 1,93 Mio. und 2021 schon über 2,18 Mio.1

Die Betreuungsquote für Kinder von unter 3 Jahren in Tagesbetreuung lag in Deutschland 2021 im Durchschnitt bei 34,4 % und bei Kindern von drei bis sechs Jahren bei 91,9 %. Von gleichwertigen Lebensverhältnissen in der frühkindlichen Bildung ist diese Situation weit entfernt und gleicht in Kommunen und Kreisen einem bundesweiten Flickenteppich.Bei Kindern unter drei Jahren haben die neuen Bundesländer eine deutlich höhere Betreuungsquote (Mecklenburg-Vorpommern z.B. 57,9 %). Baden-Württemberg (28,7 %) lag mit Bayern (29,3 %), Rheinland-Pfalz (29,2%) und Bremen (29,4%) auf den hinteren Plätzen. Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat 2020 eine „Betreuungslücke“ von 340 000 Plätzen berechnet, die seit 2015 um 145 000 Plätze angewachsen ist2. Gründe dafür sind gesellschaftliche Veränderungen in den Familien und eine weiter steigende Nachfrage der Eltern. Auch der seit 2013 bestehende Rechtsanspruch für Kinder auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Geburtstag, hat dazu geführt, dass sich Ansprüche leichter durchsetzen lassen.Für Kinder von 3 bis 6 Jahren lag die Betreuungsquote in Deutschland 2021 seit Jahren mit 91,2% wesentlich höher. Thüringen lag hier mit 95,7 % an erster Stelle, Bremen mit 87,3 % an letzter.

Die Betreuungsschlüssel in den jeweiligen Landes-Kita-Gesetzen sind verschieden. So betreut im Durchschnitt eine vollbeschäftigte Kita-Kraft im Westen der Bundesrepublik 3,5 ganztagsbetreute Krippenkinder, in Ostdeutschland 5,5. Hierzu hat die Bertelsmann-Stiftung im „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ versucht, kindgerechte Personalschlüssel zu berechnen und hat für die Krippenkinder 3,0 Kinder pro Betreuungskraft berechnet, im Kindergarten kam man auf 8,0 Kinder.3 Diese Zahlen machen deutlich, welche Anstrengungen in den nächsten Jahren unternommen werden müssen, um eine angemessene Betreuung zu erreichen und der Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen näher zu kommen.

Die Entwicklung bei den Erzieher:innen

Während die Anforderungen an den Erzieherberuf in den letzten Jahren deutlich gestiegen sind, ist die Bezahlung mit einem Einstiegsgehalt von ca. 3 000 Euro brutto dagegen eher niedrig. Hinzu kommt eine lange und in den meisten Fällen unbezahlte Ausbildung, die in einigen Fällung auch Schulgeld kostet.

Die Zahl der Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen ist von 2020 auf 2021 von 785670 auf 818301 gestiegen. Die Stellen für Erzieher:innen sind um 10 000 angewachsen. Die Bertelsmann-Stiftung geht davon aus, dass bis 2030 ca. 230 000 Fachkräfte fehlen werden.Erzieher:innen unter heutigen Bedingungen zu finden fällt schwer, da die Ausbildung an einer Fachschule zwei Jahre mit einem anschließenden Anerkennungsjahr umfasst. Daneben gibt es in geringem Umfang verschiedene weitere Ausbildungsformen, die in den Bundesländern angeboten werden. So z.B. Ausbildung in Teilzeit, berufsbegleitende Ausbildung, praxisintegrierte Ausbildung mit Ausbildungsvergütung (PIA) und Quereinsteigermaßnahmen für pädagogische Fachkräfte

Veränderungen sind in diesem System zwischen Länder, Kommunen, Trägern und Fachverbänden seit Jahren umstritten. Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung schlägt nun einen bundeseinheitlichen Rahmen vor, um den Fachkräftebedarf für Erziehungsberufe zu sichern. Ausbildung soll vergütet und schulgeldfrei sein.Um das zu konkretisieren, hat die GEW vorgeschlagen, einen Schwerpunkt auf Mindeststandards in der praxisintegrierten Ausbildung (PIA) zu legen, die in allen Bundesländern angeboten wird. So sollen u.a. die Fachschulen die ausbildende Einrichtung mit Erhaltung der Standards der KMK-Vereinbarung bleiben. Der Beruf des/der Erzieherin soll als Breitbandberuf erhalten bleiben. Eine Anrechnung auf den Personalschlüssel für die in Ausbildung befindlichen Studierenden soll es nicht geben. Als weitere festzulegende Ziele will die GEW den Status als Studierende festlegen, die Fachschulen sollen die Ausbildung zusammen mit den Trägern unter Beteiligung der Sozialpartner durchführen. Die Ausbildung soll sozialversicherungspflichtig sein und nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst bezahlt werden. Schutzrechte für Auszubildende nach dem Berufsbildungsgesetzes sollen auch in der PIA gelten. Die Länder sollen die Kosten für die Ausbildung tragen4.

So wären Möglichkeiten gegeben, den Beruf Erzieher:in in Zukunft anderen Ausbildungsberufen nach dem Berufsbildungsgesetz anzupassen.

Die Bildungssenatorin in Bremen reagiert dagegen wieder einmal mit Notmaßnahmen.So sollen in den Kitas sozialpädagogische Assistenten eingesetzt werden und die Kitas stärker für Berufsgruppen ohne pädagogischen Abschluss geöffnet werden. Tagesmütter sollen in Spielkreisen unversorgte Kinder aufnehmen (Stichwort „Soziales Lernen im Quartier“). In größerem Umfang durchgeführt, wird die Qualität der Betreuung in den Kitas weiter sinken.

Quellen: 1 https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Kindertagesbetreuung/Publikationen/Downloads-Kindertagesbetreuung/tageseinrichtungen-kindertagespflege-5225402217004.pdf;jsessionid=04E25AE5087469DD5EBA5154E06BFE00.live711?__blob=publicationFiletatist. Bundesamt (Destatis); 2022: Kinder in Tageseinrichtungen (Anzahl) 2 https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Kurzberichte/PDF/2020/IW-Kurzbericht_2020-_Kinderbetreuung.pdf 3 https://www.laendermonitor.de/de/report-profile-der-bundeslaender/uebersicht 4 Erziehung und Wissenschaft 4/22; S.38-39

Grafiken: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Soziales/Kindertagesbetreuung/kindertagesbetreuung-karte.html?nn=211240#karte1, Copyrights: © GeoBasis-DE / BKG 20211 Quellenangaben und methodische Hinweise © Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2022

Info zu den Grafiken: Im Original Interaktiv angelegt, Kreisdaten etc. aufrufbar. Statis:

„Aktuell stehen folgende Themen als Kartendarstellung zur Verfügung: • Besuchsquote in Kindertageseinrichtungen (nach Altersgruppen) • Besuchsquote in öffentlich geförderter Kindertagespflege (nach Altersgruppen) • Betreuungsquote (nach Alter der Kinder) • Anteil der Einrichtungen mit integrativer Kinderbetreuung • Anteil betreuter Kinder in Kindertagesbetreuung (Ganztagsbetreuung) • Anteil betreuter Kinder mit ausländischer Herkunft mind. eines Elternteils in Kindertagesbetreuung (nach Alter der Kinder) • Anteil des pädagogischen Personals an allen tätigen Personen in Kindertageseinrichtungen“

Abb. (PDF): Logo D STATIS

Abb. (PDF): Karten, Besuchsquoten in Kindertageseinrichtungen‘/ unter 3-Jährige,Besuchsquoten in Kindertageseinrichtungen, 3 bis unter 6-Jährige