Politische Berichte Nr.4/2022 (PDF)13a
Aus Kommunen und Ländern

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Energiearmut kommunal begegnen!

Kommunale Nothilfefonds und Ombudsstellen!

Jörg Detjen, Köln

Wenn man aktuell die Diskussionen und Vorschläge zu den Strom- und Gaspreiserhöhungen verfolgt, gibt es zwei Ansätze, die nicht gegeneinander stehen, denen aber trotzdem eine unterschiedliche Herangehensweise zu Grunde liegt.

Das sind einmal die generellen Forderungen nach staatlichen und wirtschaftlichen Eingriffen wie Deckelung der Preise bis hin zur Verstaatlichung z.B. der RWE. Das andere Herangehen ist ein sozialpolitischer Ansatz. Energiearmut ist kein neues Thema, sondern erfährt gerade eine enorme Verschärfung, selbst das bürgerliche Lager ist nachdenklich geworden.

Im Folgenden möchte ich mich mit dem zweiten Ansatz aktuell beschäftigen. Auch wenn die Bundesregierung über einen Eingriff in den Energiemarkt diskutiert, sollte man von enormen Preissteigerungen bei Strom und Gas ausgehen. Hatte ein Zweipersonen-Haushalt vorher 1 000 Euro für Strom ausgegeben, muss er damit rechnen, nach dem 1. Oktober 2022 für das kommende Jahr 2 000 Euro auszugeben. Das ist ein harter Einschnitt! Für andere Personengruppen wird das gar nicht mehr bezahlbar sein, und die Gefahr ist sehr groß, dass diese Personen am gesellschaftlichen Leben gar nicht mehr teilnehmen können. Hier ist vor allem die große Gruppe der Bezieher der Grundsicherung zu nennen: Hartz IV, Altersrentner und Geflüchtete. Diesen Menschen muss besonders geholfen werden. Dazu erheben soziale Akteure wie Tacheles, die Wohlfahrtsverbände, die Verbraucherzentrale, aber auch die Gewerkschaften konkrete Forderungen. (1)

Sie laufen alle darauf hinaus, die Leistungen für Menschen mit wenig Einkommen zu erhöhen. Diese sozialpolitischen Forderungen muss man unbedingt unterstützen. Alle diese Forderungen greifen leider nicht die Forderungen der EU-Kommission nach besonderen Maßnahmen für schutzbedürftige Personen auf. Die EU hat schon vor über zehn Jahren auf den Missstand hingewiesen und die Mitgliedsstaaten aufgefordert, das zu ändern. Belgien und Österreich haben das getan. Die Bundesrepublik hat das bis heute ausgesessen. (2)

Das heißt, es muss jetzt auch darum gehen, den Menschen nicht nur konkret in dieser Lage zu helfen, sondern auf lange Sicht soziale Sicherheit zu schaffen.

Die aktuellen Probleme werden in den nächsten Monaten konkret in den Kommunen aufschlagen, wo die Menschen leben und die Energieversorger wirken. Hier kommt gerade ein weiterer wichtiger Ansatz in die bundeweite Diskussion. Die kommunalen Stadtwerke München (3) und Köln wollen einen Nothilfefonds auf kommunaler Ebene errichten, um den Menschen zusammen mit der Stadtverwaltung zu helfen. Energieschulden sollen auf diesem Wege kurzfristig bezahlt werden und Strom- und Gassperren verhindert werden. Eine entscheidende Maßnahme, die der Sozialausschuss des Rates der Stadt Köln bereits im Januar 2022 vorgeschlagen hatte. Einen solchen Nothilfefonds gibt es in Bremen seit einigen Monaten.

Entscheidend ist in dieser dramatischen Krise, dass die Kommunen den Menschen konkret helfen können. Dazu ist ein Nothilfefonds wichtig, um Strom- und Gassperren im Vorfeld zu begegnen. In der Pandemie waren in vielen Kommunen Strom- und Gassperren ausgesetzt. Das war von Vorteil. Die Energieschulden waren damit aber nicht abgetragen und blieben bestehen. Der Nothilfefonds hat den Vorteil, dass die Schulden damit aufgelöst sind. Entscheidend ist, dass keine neuen Schulden entstehen. Dazu wären kommunale Ombudsstellen gegen Energiearmut nach dem Wiener Modell ein Lösungsweg, die im Rahmen der österreichischen Diskussion um die Umsetzung der EU-Richtlinien gegen Energiearmut 2011 entstanden ist. (4)

Abb. (PDF): Logo Ombundsstelle

Quellen: 1. https://tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/archiv/energiearmut-beenden.html 2. a. Richtlinie (EU) 2019/944 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 mit gemeinsamen Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 2012/27/EU. b. Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG. c. Empfehlung (EU) 2020/1563 der Kommission vom 14. Oktober 2020 zu Energiearmut. 3. FAZ vom 17. Juli: https://zeitung.faz.net/fas/wirtschaft/2022-07-17/9db2c3db5df167136d04035d5f00c832?GEPC=s5 4. Materialien der Wiener Stadtwerke zur nachhaltigen Entwicklung Nummer 8: Herausforderung Energiearmut und der Beitrag der Wiener Stadtwerke; Ursachen und Auswirkungen von Energiearmut und die Arbeitsweise der Wien Energie Ombudsstelle für soziale Härtefälle; Wien 2013