Politische Berichte Nr.5/2022 (PDF)26
Ankündigungen, Diskussion, Dokumentation

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Pazifische Probleme: Ozean-Konferenz in Lissabon und anderswo

Im Juni dieses Jahres fand in Lissabon die UN Ocean Conferenz (UNOC) statt, die sich allgemein mit Fragen der Meerespolitik befasst und sich der Ausbeutung und Nutzung ihrer Ressourcen aber auch ihrem langfristigen Schutz widmet. In dem Meeresatlas der Heinrich-Böll-Bundes-Stiftung von 2017 heißt es u.a.: Ozeane bedecken mehr als zwei Drittel unseres Planeten und bieten den Menschen ein reiches Potenzial an Nahrung, Energie und Mineralien. Auf den Meeren transportieren wir Güter zwischen den Kontinenten und sie sind von zentraler Bedeutung für die Stabilität unseres Klimas. Doch die Zukunft dieser einzigartigen Ökosysteme ist stark gefährdet. Das jahrhundertealte Prinzip der Freiheit der Meere, das jedem überall unbegrenzten Zugang zur Nutzung der Ozeane ermöglichte, hat zu Überfischung, Verlust der Artenvielfalt, vor allem aber zu Dünger- und Mikroplastikverschmutzung geführt, gar nicht zu reden von den Folgen des Klimawandels.

Edda Lechner, Norderstedt

Das Konzept der Nachhaltigkeit wird immer mehr in internationalen Schutzabkommen verankert. Solche Beschlüsse sind für die Ozeane und Meere ebenfalls dringend nötig. Erstmalig taten dies die Vereinten Nationen im Abschlussdokument der Konferenz Rio+20 im Jahr 2012. Und in der 2015 von ihnen verabschiedeten Agenda 2030 wurden dazu 17 nachhaltige Entwicklungsziele – Sustainable Development Goals (SDG) – formuliert. Die SDG 14 wurde auf der UNOC-Konferenz dieses Jahres erfreulicherweise zum Hauptthema ernannt. Aber: Es fehlt nicht an Wissen über die Krisen der Meere, es fehlt an Handlungsoptionen und Handlungswillen vieler Staaten und Organisationen. Auch fehlt noch eine oberste internationale Behörde, die für die notwendige Kontrolle verantwortlich ist. Die Folge sind verschachtelte Zuständigkeiten, lückenhaftes Recht und Schlupflöcher.

Während die großen Industrienationen zu Lande wie zu Wasser gerne „rücksichtslos“ an die reichen Vorkommen der immer seltener werdenden Seltenen Erden herankommen und dafür auch gerne zu den Manganknollen in die Tiefe aller Ozeane abtauchen möchten, sind z.B. die pazifischen Inselstaaten am Gegenteil interessiert: für sie ist der Umwelt- und Meeresschutz längst zu einer Überlebensfrage geworden. Auch wenn einige von ihnen – wie z.B. Tonga und Papua-Neuguinea – kurzfristig gerne reiche Gewinne aus entsprechend erteilten Lizenzen für den Tiefseebergbau machen würden. Die starke Präsenz und Teilnahme von Menschen aus dem Pazifik unter den 11 000 TeilnehmerInnen an der Konferenz in Lissabon zeigte demgegenüber, dass ihre BewohnerInnen zunehmend dafür eintreten, dass in ihrer Region kein Tiefseeabbau betrieben werden soll. Mit einer Vielzahl von Einzelinitiativen und internationalen PartnerInnen traten sie für das Recht auf intakte Meeresökosysteme ein. Das internationale NGO-Netzwerk Deep Sea Conservation Coalition (DSCC) setzte deshalb gleich am ersten Konferenztag dieses Thema auf die Tagesordnung. Weitere NGOs und AktivistInnen aus aller Welt trugen die Forderung nach einem Tiefseebergbau-Moratorium vor, und durch die gesamte Woche gab es viele Side-Events, kritische Wortmeldungen bei industriefreundlichen Veranstaltungen, und es wurden neue Allianzen von Staaten und Abgeordneten gegen den drohenden Raubbau gebildet. Sie fanden die Unterstützung bei dem Konferenzpräsidenten Uhuru Kenyatta aus Kenia, der in seiner Abschlussrede auf die Notwendigkeit eines weltweiten Tiefseebergbau-Moratoriums hinwies. Das Ergebnis der UNOC war auf jeden Fall ein neues gemeinsames Verständnis für die Dringlichkeit von Lösungen für Meereskrisen, aber natürlich fehlt es noch weitgehend an mehrheitlichen Beschlüssen und am allgemeinem Handlungswillen.

Fortschritte gab es kurz danach in dem von den Plänen des Tiefseebergbaus besonders betroffenen Französisch-Polynesien, dessen Rat für Wirtschaft, Soziales, Umwelt und Kultur fast mit ganzer Mehrheit – mit 43 gegen 2 Stimmen – einem Verbot von Bergbauprojekten zustimmte. Dieses Gremium hat allerdings in dem von Frankreich kontrolliertem Staat nur eine beratende Funktion. Aber auch ihr Präsident Edouard Fritsch sorgte dafür, dass solch eine Forderung auf dem Treffen des Pacific Insel Forums Mitte Juli für Gesamt-Französisch-Polynesien verabschiedet wurde. Der Minister für Meeresressourcen, Maamaatuahutapu, erklärte, dass auch die französischen Überseegebiete Wallis, Futuna und Neukaledonien dieselbe Haltung einnehmen würden. Französisch-Polynesien macht immerhin mit 4,7 Mio. Quadratkilometer fast die Hälfte der Wasseroberfläche im Pazifik unter französischer Hoheit aus.

Bereits im Juli und August dieses Jahres fand in Jamaica die nächste Runde der UN-Ozeankonferenz mit Verhandlungen zum potentiellen Tiefseebergbau statt. Palau und Fidschi forderten gleich am ersten Tag ein, dass ein gemeinsames Moratorium zum Thema Tiefseebergbau beschlossen werden müsste. Auch die Föderierten Staaten von Mikronesien stellten eine Forderung an die Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA), die zerstörerische Industrialisierung des Meeres zukünftig zu verhindern.

Jetzt fiel leider Frankreich hinter seine bisherige Zustimmung zu diesen Beschränkungen, die es damals noch bei der UNOC im Juni 22 geäußert hatte, zurück, denn nun forderte ihr Präsident Macron lediglich „strengere Regeln für den Abbau“.

Auch Deutschland, das zuvor die Forderung im G7 Ocean Deal für einen radikalen Schutz von mindestens 30 Prozent der Weltmeere bis 2030 unterstützt hatte, hielt sich mit Zusagen zurück. Es ist bereits stolzer Besitzer eines in der Nähe von Hawaii (USA) gelegenen Meeresboden-Claims, das so groß wie Bayern ist.

2025 soll die nächste UNOC-Konferenz stattfinden. Ihre politische Bedeutung und das daraus resultierende politische Handeln werden auf jeden Fall für die Krisen der Meere und Ozeane, aber vor allem für ihre pazifischen Bewohner immer dringlicher werden.

Abb. (PDF): Abbildung und Text: https://www.ozeanien-dialog.de