Politische Berichte Nr.6/2022 (PDF)04a
Aktuell aus Politik und Wirtschaft

* 04a-rf-verliert-ansehen-und-einfluss-cornides-01.html * 04b-rf-kriegsziel-unterwerfung-fochler-01.html * 07a-eu-stellt-sich-herausforderungen-schuettpelz-01.html

G20-Gipfel am 15./16. November in Bali: Ansehens- und Einflussverlust für die Russische Föderation

Christoph Cornides, Mannheim

Am 15. und 16. November 2022 tagten auf Bali, Indonesien, unter der Präsidentschaft des indonesischen Staatspräsidenten Joko Widododie die Vertreterinnen und Vertreter der sog. G 20-Staaten.* Die G 20-Staaten repräsentieren gegenwärtig über 85 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts, drei Viertel des Welthandels und rund zwei Drittel der Weltbevölkerung. Die G 20 Gruppe ist ein informelles Forum, keine internationale Organisation und besteht seit 1999. Auch wenn verschieden weltpolitische Themen, wie z.B. die Überwindung der Corona-Pandemie auf der Tagessordnung standen, war schließlich das Hauptthema der russische Okkupationskrieg gegen die Ukraine. Nachdem es im Vorfeld der Konferenz eine Diskussion unter den beteiligten Staaten auf Initiative der USA gab, ob Russland wegen des Okkupationskrieges ausgeladen werden sollte, gehörte dann aber die Russische Föderation unter anderem auf Intervention Chinas zu den Teilnehmern der Konferenz. Allerdings wurde Russland nicht durch Präsident Putin, sondern durch Außenminister Lawrow vertreten. Bereits am Ende des ersten Tages und noch vor offizieller Verabschiedung der Abschlusserklärung reiste Lawrow wieder ab.

EU-Ratspräsident Charles Michel konnte bereits frühzeitig verkünden, dass sich die Unterhändler aller 20 Mitglieder – also auch Russlands – bereits vor Gipfelbeginn auf einen Entwurf für eine Abschlusserklärung geeinigt hätten.

Nach den mehrfachen Verurteilungen der russischen Aggression und Annexionen durch die UN-Generalversammlung, auf die die Abschlusserklärung Bezug nimmt, und der unverminderten Fortsetzung des Krieges durch die Russische Föderation, war Russland innerhalb der G 20-Staaten in eine isolierte Lage geraten. Staaten wie Indien, Südafrika, Brasilien, Türkei und vor allem China, die Russland in der Vergangenheit unterstützt hatten oder sich in der Verurteilung zurückhielten, drängten Russland offensichtlich zur Hinnahme der gewählten Formulierungen der Erklärung. (Quelle s.u.)

Darin verurteilen die „meisten Mitglieder“, also die Mehrheit der G 20, den Krieg Russlands in der Ukraine „auf das Schärfste“. In dem Text werden auch die negativen Auswirkungen des Krieges auf die Weltwirtschaft hervorgehoben. Der Krieg verursache „unermessliches menschliches Leid und verschärft die bestehenden Schwachstellen in der Weltwirtschaft“, heißt es. Zudem wird ein „vollständiger und bedingungsloser Rückzug aus dem Hoheitsgebiet der Ukraine“ gefordert. Gegen Putins Atomwaffendrohungen: „Der Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Kernwaffen ist unzulässig. Entscheidend sind die friedliche Konfliktbeilegung, Bemühungen zur Krisenbewältigung sowie Diplomatie und Dialog. Unsere Zeit darf nicht eine des Krieges sein.“ Beim Peking-Besuch von Kanzler Scholz hatte Chinas Staatspräsident Xi Jinping erstmals Moskau deutlich vor einer Nuklearoption gewarnt, das bekräftigt Xi Jinping beim Treffen mit US-Präsident Joe Biden auf Bali. Beide Seiten stimmten überein, dass „ein Atomkrieg niemals geführt werden sollte“, teilte das Weiße Haus mit.

Die gemeinsame Erklärung wurde allerdings auch dadurch ermöglicht, dass gegenüber Russland zugestanden wird „Es gab andere Auffassungen und unterschiedliche Bewertungen der Lage.“ Russland akzeptierte mit seiner Zustimmung aber auch, dass der russische Angriff deutlich als „Krieg“ bezeichnet wird – und nicht als „militärische Spezialoperation“ nach der bisherigen Sprechweise Putins.

Quellen: Abschlusserklärung: https://www.bundesregierung.de/resource/blob/992814/2143372/c32dd4674a573a180c1ecc615729ac75/2022-11-16-declaration-g20-deu-data.pdf?download=1; Tagesspiegel, Süddeutsche Zeitung vom 26.11.2022

* Zur G20-Gruppe gehören 19 Staaten sowie die EU. Die Länder sind: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, Türkei und USA. Neben Vertretungen der Mitglieder der G20 werden regelmäßig auch Vertretungen von Gastländern der Tagungen sowie von internationalen Organisationen wie Weltbank oder Weltgesundheitsorganisation WHO eingeladen.