Politische Berichte Nr.1/2023 (PDF)32a
Globale Debatten - UN Initiativen

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Nuklear-Archive in Frankreich geöffnet

Enthüllungen über die Atomversuche im Pazifik?

315 Atombombentests waren es insgesamt, die im Kalten Krieg von den drei westlichen Supermächten auf den von ihnen abhängigen Inselgruppen und -Staaten im Pazifik durchgeführt wurden – unter Schonung des eigenen Territoriums. Frankreich nutzte seine Kolonien in Französisch-Polynesien dreißig Jahre lang, von 1966 bis 1996, für atmosphärische und unterirdische Tests. Nie gab es nach den Atomtests für die betroffenen Länder und Menschen irgendwelche gesundheitlichen Untersuchungen über die Folgen der Verseuchung oder eine vom französischen Staatspräsidenten erwartete Entschuldigung, geschweige denn eine zugesagte Entschädigung. Nun werden immerhin seit Oktober 2021 die in den französischen Archiven lagernden Dokumente über die Entwicklung und Testung ihrer Atomwaffen für die Öffentlichkeit freigegeben.

Edda Lechner, Norderstedt

Im Gegensatz zu den USA und zu Großbritannien gibt es in Frankreich keine Gesetze zur Informationsfreiheit, die es der Öffentlichkeit erlauben eine Freigabe von Informationen rechtlich zu erzwingen. Das schränkt die Nutzung für die Forschung sowie die interessierte Öffentlichkeit natürlich vor allem bei einem solchen brisanten Thema stark ein. Nachdem 2021 auf Grund eines dafür bewilligten „Sonderzugangs“ einige journalistische und wissenschaftliche Arbeiten über die Entwicklung der französischen Atomwaffen preisgekrönt wurden, hat nun der französische Präsident Emmanuel Macron eine umfangreiche Initiative zur Freigabe von bisher geheim gehaltenen Dokumenten in den französischen Archiven gestartet. Wenn auch mit einigen Lücken. So bleib z.B. Algerien, das ein ähnliches Schicksal wie Polynesien erfahren hat, gänzlich unberücksichtigt.

Natürlich gibt es einen großen Andrang auf dieses jetzt freigegebene brisante Material. Von den sofort angeforderten 35 000 Dokumenten (nach dem Stand vom Februar 2022) wurden erfreulicherweise auch nur 59 von einer Freigabe ausgeschlossen. Die offiziellen Ursprünge dieser Einsichtsmöglichkeiten gehen auf die französischen Deklassifizierungskommission (Commission d‘ouverture des archives des essais nucléaires en Polynésie française) vom Juli 2021 zurück. Macron organisierte dazu in Paris einen „Runden Tisch“ mit polynesischen VertreterInnen darunter mit dem Präsidenten des zu Frankreich gehörenden Französisch-Polynesien, Edouard Fritch. Und Macron besuchte seinerseits die Französischen Gesellschaftsinseln in der Hauptstadt Pape’ete, wo er eine noch nie dagewesene „Öffnung“ der französischen Nukleararchive ankündigte. Danach beauftragte er im Oktober 2021 sein Verteidigungsministerium, mit der Deklassifizierung zu beginnen.

Die Presse- und Öffentlichkeitsabteilung des französischen Militärs (Établissement de Communication et de Production Audiovisuelle de la Défense) hat inzwischen erhebliche Mengen an Fotos und Videos freigegeben und einige davon digitalisiert. Der französische radiologische Überwachungsdienst (Département de suivi des centres d‘expérimentations nucléaires), der die pazifischen Testgelände im Auge behält, nimmt im Rahmen seiner Beteiligung am Freigabeprozess auch auswärtige Forschungsanfragen entgegen. Auch haben die französischen Nationalarchive relevante Dokumente aus den Akten französischer Präsidenten, ihrer Berater, staatlicher Ministerien, bestimmter Gerichte und privater Sammlungen, die von öffentlichen Diensten verwaltet werden, zugänglich gemacht. Der französische Präsident Mitterand hatte in den 90er Jahren trotz weltweiten Protestes gegen weitere Atomversuche und trotz seiner Unterzeichnung eines Nicht-mehr-Zündungs-Moratoriums von 1992 noch bis 1996 hartnäckig darauf bestanden, die französischen Tests fortzusetzen. Er leugnete auch stets heftig jegliche Beteiligung und Kenntnis von dem gezielten Mord an einem Greenpeace-Aktivisten, der mit dem bekannten „Rainbow-Warrior“-Schiff das Gebiet erkundet hatte. Darüber sind sicher einige interessante Enthüllungen zu erwarten!

Selbst die Abteilung für militärische Anwendungen der französischen Atomenergiekommission (CEA-DAM), die eigene Archive unterhält, erklärte sich bereit, sich mit der Deklassifizierungskommission abzustimmen. In einem parallelen Prozess hat die CEA-DAM Dutzende von Textdokumenten sowie Fotos und Videos freigegeben. Die Textdokumente, die lange Zeit für die Forschung tabu waren, sind nun über ein Portal des französischen Verteidigungsministeriums kostenlos online verfügbar.

Hier geht es zu dem Portal: https://www-dam.cea.fr (Bulletin of the Atomic Scientists 16.9.22, www.memoiredeshommes.sga.defense.gouv.fr)

Abb.(PDF): Die Informationen zu diesem Bericht wurden vorrangig der Zeitschrift „Pazifik aktuell“ Nr. 132/22 entnommen. Herausgeber sind die „Pazifik Informationsstelle“ und „Mission Eine Welt“ in Neuendettelsau: www.pazifik-infostelle.org, www.mission-einewelt.de