Politische Berichte Nr.2/2023 (PDF)13
Aus Kommunen und Ländern

* 13-pb02-2023-bremen-wahlkampf-thema-bildung-d-jannoff-2.html * 16-pb02-2023-kommunale-initiativen-bildung-d-jaeckel-2.html

Krise der Bildungspolitik – Wahlkampfthema in Bremen

Thorsten Jannoff. Am 14. Mai 2023 finden in Bremen und in Bremerhaven die Wahlen zur Bürgerschaft und Kommunalwahlen statt. Die Linke Bremen hat in ihrem Wahlprogramm Reformvorschläge für die auch in Bremen krisenhafte Bildungspolitik entwickelt. Durch die Besonderheit eines Stadtstaates, in der Landes- und Kommunalpolitik mehr oder weniger aus einem Guss möglich sind, ergeben sich durch- und umsetzbare Optionen. So wird in Bremen ein Ausbildungsfonds eingeführt und in Bremerhaven entsteht ein Campus für klimarelevante Berufe. Weil es auch in Bremen einen massiven Lehrermangel gibt, haben CDU, SPD, Grüne und Linke den Senat beauftragt, sich bei der Konferenz der Kultusminister (KMK) anhand des Berliner Vorschlags für einen Staatsvertrags zur Deckung des Lehrkräftebedarfs einzusetzen. Außerdem fordern die drei Bremer Regierungsparteien vom Senat die Initiierung einer Bundesratsinitiative für eine Abkehr vom Königsteiner Schlüssel bei Finanzzuweisungen im Bildungsbereich. Stattdessen fordern SPD, Grüne und Linke die Verteilung der Gelder anhand eines Sozialindex. Es zeigt sich, dass die Linke im gegebenen Parteiensystem keineswegs auf verlorenem Posten steht. Ihre Kritiken können in wichtigen Punkten praktisch werden.

Quellen: Zum Programm: www.dielinke-bremen.de/wahlen-2023/ Sonstige Dok.: www.linksfraktion-bremen.de

01 DOK Aus dem Wahlprogramm der Linken
02 dok Der Ausbildungsunterstützungsfonds hilft und ist gerecht!
03 dok: Lehrkräftemangel geht uns alle an – bundesweite Ausbildungsoffensive und Bildungsstaatsvertrag jetzt gemeinsam auf den Weg bringen!
04 Bundesmittel für Schulen fair verteilen und Bildungsgerechtigkeit herstellen! Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen:

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DOK Aus dem Wahlprogramm der Linken

Schulen in benachteiligten Stadtteilen stärken, Kindern eine echte Chance geben

Unser Ziel ist es, allen Kindern gleiche Bildungschancen zu ermöglichen. Deshalb müssen Kinder besonders unterstützt werden, die aufgrund von Armut oder ihrer Migrationsgeschichte bislang keinen fairen Zugang haben. Daher müssen vor allem die Schulen gestärkt werden, an denen besonders viele von der Gesellschaft benachteiligte Schüler*innen lernen. Das Land Bremen hat schon erste Schritte in diese Richtung unternommen, die Anzahl der Kinder pro Klasse in den Quartieren mit hoher Armut abgesenkt und den Lehrkräften an diesen Schulen zusätzliche Arbeitszeit für Elternarbeit zur Verfügung gestellt. Unter unserer Regierungsbeteiligung hat Bremen angefangen, an Grundschulen in benachteiligten Stadtteilen die Doppelbesetzung mit einer zweiten Fachkraft im Unterricht einzuführen. Diese bewusste Umverteilung von Geldern und Stellen anhand der Sozialdaten der Quartiere muss konsequent fortgesetzt werden:

• Die Doppelbesetzung mit einer zweiten Fachkraft muss auf alle Schulen der Sozialstufen IV und V ausgeweitet werden.

• Wir wollen Personal zukünftig wieder zentral den Schulen zuweisen, damit nicht die größten Personallücken bei den schwächsten Schüler*innen bestehen.

• In den benachteiligten Stadtteilen wollen wir die Schulen zuerst zu Ganztagsschulen ausbauen. Das Schulmittagessen im Ganztag muss für alle Schüler*innen kostenlos sein.

• Die Sprach- und Matheförderung gehört an diesen Grundschulen weiter ausgebaut, aber nicht auf Kosten sogenannter Nebenfächer, wie z. B. der ästhetischen Bildung.

• Im aktuellen Haushalt haben wir die Sachmittel für die Schulen der Sozialstufen IV und V erhöht, diese Erhöhung muss beibehalten und an regelmäßig steigende Preise und Honorare angepasst werden.

• Es sollen neue Quartiersbildungszentren (QBZ) gebaut werden, zuerst in Kattenturm, Blumenthal und Bremerhaven-Lehe. Diese Ortsteile bekommen eine*n Bildungsmanager*in für das Quartier, auch wenn das Gebäude noch nicht fertig ist. Bestehende und neue QBZ werden über eine institutionelle Förderung dauerhaft abgesichert.

• Wir setzen uns auch auf Bundesebene dafür ein, dass Fördermittel anhand von Sozialkriterien an Bundesländer verteilt werden und nicht nach dem Königsteiner Schlüssel, der reiche Bundesländer belohnt und arme bestraft.

Personalmangel bekämpfen

Die größte Herausforderung für die Schulen ist der Fachkräftemangel. Dieser betrifft alle Berufsgruppen: Lehrkräfte, Erzieher*innen, Sozialarbeiter*innen und persönliche Assistenzen fehlen. Diesem Personalmangel kann mittelfristig nur mit einer Ausbildungsoffensive abgeholfen werden. An der Universität und im Referendariat müssen die Ausbildungsplätze für das Lehramt ausgebaut werden. Hierbei sind insbesondere die Mangelfächer zu berücksichtigen. Der Studieneinstieg in Inklusive Pädagogik muss deutlich erleichtert werden, z. B. durch eine Ausweitung der Fächerkombination oder vereinfachte Zulassung im Zweitfach. Es darf nicht passieren, dass im Bereich Inklusive Pädagogik Studienplätze an der Universität Bremen unbesetzt bleiben. Auch die Studiengänge für Soziale Arbeit an den Hochschulen und die Fachschulen für Sozialpädagogik benötigen zusätzliche Kapazitäten. Es muss dabei den angehenden Erzieher*innen ermöglicht werden, auch Schulen als Ausbildungsstätten für Praxisphasen oder das Anerkennungsjahr zu wählen. Bis ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stehen, werden weiterhin Studierende parallel zum Masterstudium oder Masterabsolvent*innen an den Schulen als Vertretungskräfte benötigt. Diese wollen wir direkt bei der Stadt Bremen beschäftigen und den Einsatz von Leiharbeit an Schulen über die Stadtteilschule beenden. (…)

Es bedarf aber auch kurzfristiger Lösungen, um dem schon heute eklatanten Fachkräftemangel zu begegnen. Beispielsweise möchten wir vermehrt einen eng begleiteten Seiteneinstieg in das Lehramt anbieten, der aber immer zu einem vollwertigen Lehramtsabschluss führt. Auch die Anerkennung ausländischer Lehramtsabschlüsse soll erleichtert werden. Außerdem muss es neben dem regulären Lehramtsstudium weiterhin auch den Weiterbildungs-Master für Inklusive Pädagogik an der Universität Bremen geben.

Abb. (PDF): Wahlplakat „Wir machen einen positiven Wahlkampf“

Abb. (PDF): Wahlplakat „Bildung und Betreuung“

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dok Der Ausbildungsunterstützungsfonds hilft und ist gerecht!

24.2.2023 Die Koalition in Bremen hat in erster Lesung den sogenannten Ausbildungsunterstützungsfonds beschlossen. Dieser soll zukünftig dafür sorgen, dass es entgegen dem derzeitigen Trend mehr Ausbildungsplätze im Land Bremen geben wird. Kleine Unternehmen, die bisher den Großteil der Ausbildungen übernehmen, werden durch den Fonds entlastet und Jugendliche gezielt gefördert. Die Fraktion Die Linke in der StVV begrüßt die Einrichtung eines solchen Fonds.

„Wir können nicht ständig den Fachkräftemangel beklagen, ohne uns zielgerichteten Lösungsansätzen zu widmen. Daher ist die Einrichtung des Ausbildungsunterstützungsfonds eine sehr gute Maßnahme“, so Muhlis Kocaaga, stellvertretender Fraktionssprecher Die Linke in der StVV, „da wir als Gesellschaft eine Verantwortung unseren Jugendlichen gegenüber tragen und sie angemessen und sicher fördern müssen, um ihnen eine gute Zukunftsperspektive zu eröffnen.“

www.dielinke-bremerhaven.de

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dok: Lehrkräftemangel geht uns alle an – bundesweite Ausbildungsoffensive und Bildungsstaatsvertrag jetzt gemeinsam auf den Weg bringen!

Antrag der Fraktionen der CDU, der SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke: Yvonne Averwerser, Heiko Strohmann und Fraktion der CDU / Gönül Bredehorst, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD / Christopher Hupe, Björn Fecker und Fraktion BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN / Miriam Strunge, Nelson Janßen, Sofia Leonidakis und Fraktion Die Linke

24.2.2023 Schon seit Jahren gelingt es unseren beiden Städten kaum noch offene Lehrerstellen mit vollausgebildeten Lehrkräften zu besetzten. So waren zu Beginn des Schuljahres 2022/23 in der Stadtgemeinde Bremen 96 Lehrervollzeitstellen unbesetzt, in Bremerhaven lag dieser Wert bei 66. Gleichzeitig wurde Unterricht an Schulen der Stadtgemeinde Bremen im Gegenwert von 194 Vollzeitstellen durch Vertretungskräfte von „Stadtteilschule e. V.“ abgedeckt. Somit lag schon beim Start in das neue Schuljahr die durchschnittliche Unterrichtsversorgung im Land Bremen rechnerisch nur noch bei 96 Prozent (Drs. 20/1680).

Doch Bremen ist keineswegs als einziges Bundesland mit dieser komplexen Problemstellung konfrontiert. Seit Bekanntwerden der neuerlichen Ergebnisse des sogenannten Schulbarometers, welches im Auftrag der Robert-Bosch-Stiftung auf Grundlage einer repräsentativen Befragung von 1055 Schulleitungen allgemein- und berufsbildender Schulen erstellt wurde, bekommt die Diskussion über fehlende Lehrkräfte endlich eine breitere gesellschaftliche Aufmerksamkeit. Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung: Im Durchschnitt sehen zwei Drittel der befragten Schulleitungen im Personalmangel die größte Herausforderung für ihre Arbeit. An Haupt-, Real- und Gesamtschulen nennen sogar 73 Prozent und an Förderschulen 76 Prozent der Schulleitungen den Mangel an Lehrkräften und weiterem schulischen Personal als größtes Problem.

Unstrittig ist, dass zu Beginn des Schuljahres 2022/23 bundesweit wohl zehntausende Lehrerstellen unbesetzt waren und das es sich hierbei um ein strukturelles Problem handelt. Angesichts dessen sind die jüngsten Empfehlungen der ständigen wissenschaftlichen Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz zur Bekämpfung des Lehrermangels aus Sicht der betroffenen Länder allenfalls unverbindlich und tragen somit nur wenig zur unmittelbaren Problemlösung bei.

Politisch richtige Entscheidungen, wie der Ganztagsschulausbau, die Verbreiterung der inklusiven Beschulung und Vorhaben zur gezielten Unterstützung von Schulen in sozial schwierigen Lagen (z. B. „Schule macht stark“ von Bund und Ländern) sorgen für zusätzliche Bedarfe an qualifizierten Lehrkräften. Hinzu kommt, dass aktuell nahezu alle Bundesländer mehr Lehrkräfte einstellen, als sie an ihren landeseigenen Hochschulen selbst ausbilden. Das sich hieraus ergebene Defizit an Hochschulabsolventen im Lehramt beziffert die KMK auf bundesweit rund 18%. Zuallererst wird auf Abwerbung von Lehrkräften gesetzt. So wurde beispielsweise erst kürzlich bekannt, dass Bayern mit monetären Anreizen und anderen Umzugshilfen Lehrkräfte in den Freistaat locken will. Des Weiteren unterhalten die Länder unterschiedliche Seiten- und Quereinstiegsmodelle, die mit Verweis auf befürchtete Qualitätsabsenkung immer wieder Kritik auf sich ziehen …. Ein beachtenswerter Impuls zur institutionalisierten Bündelung sämtlicher hiermit in Verbindung stehender Anstrengungen kommt aus dem Bundesland Berlin, welches selbst schwer mit dem Lehrkräftemangel zu kämpfen hat: Die dortige Regierungskoalition hat in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, einen bundesweiten Staatsvertrag zur bedarfsgerechten Lehrkräfteausbildung anzustreben. Im Rahmen von Bund-Länderabkommen ist es gängige Praxis, dass der Bund und die Länder, bzw. die Länder untereinander, Staatsverträge und Verwaltungsabkommen schließen. Den Staatsvertrag charakterisiert hierbei, dass die zu regelnde Materie unter Parlamentsvorbehalt steht, die Umsetzung des Vertragsinhalts folglich nur mittels eines formellen Gesetzes möglich ist.

Was für eine derartige Übereinkunft zwischen den Bundesländern sprechen würde, wie ein solcher Bildungsstaatsvertrag zur Lehrkräftesicherung im Detail aussehen könnte und wie diese Maßnahme mit einer „Ausbildungsoffensive Bildung“ kurzfristig zu flankieren wäre, hat der ehemalige Berliner Staatsekretär für Bildung, Mark Rackles, in einem vielbeachteten Aufsatz unter der Überschrift „Wege aus dem Lehrkräftemangel“ im Dezember 2022 publiziert.

Klar ist, dass die Anbahnung, Ausverhandlung und anschließende Ratifizierung eines solchen Bildungsstaatsvertrags zur Lehrkräftesicherung ein aufwendiger und vor allem zeitintensiver Prozess sein wird. Dessen positive Wirkung wird sich daher erst mittelfristig entfalten können. Da sich der Rückgang von Lehramtsstudierenden aber bereits akut in den großen Bundesländern Bayern und Nordrhein-Westfalen abzeichnet und die Situation sich dadurch bundesweit weiter verschlechtern würde, gilt es, in einer länderübergreifend abgestimmten Aktion unverzüglich alle vorhandenen Kräfte für eine deutschlandweite Kampagne einer Ausbildungsoffensive für Lehrberufe zu mobilisieren. Ziel ist es hierbei, die Zahl der Studienanfänger der Lehrämter in allen Bundesländern zu steigern. Als Beispiel könnte hierfür die bereits angelaufene „Ausbildungsoffensive Pflege“ von Bund und Ländern dienen.

Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bremische Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf,

1. sich im Kreise der Konferenz der Kultusminister (KMK) gemeinsam mit anderen Bundesländern, wie etwa Berlin, aktiv und offensiv für die Ausgestaltung sowie den Abschluss eines Staatsvertrags zur Deckung des Lehrkräftebedarfs einzusetzen. Die Länder kommen hiermit ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung nach, da dieser Schritt das Ziel verfolgt, die Unterrichtsqualität und Unterrichtsversorgung bundesweit gleichermaßen zu sichern. Zentrale Regelungsgegenstände eines solchen Staatsvertrages sind eine unter den unterzeichnenden Ländern koordinierte und in sich konsistente Strategie zur Bereitstellung

a. der erforderlichen Plätze innerhalb der Lehramtsstudiengänge;

b. der notwendigen Kapazitäten im Vorbereitungsdienst.

Ferner soll ein derartiger Staatsvertrag nach Möglichkeit Festlegungen treffen in Bezug auf

c. gemeinsame Standards bei Bildungs- und Hochschulstatistik sowie darauf aufbauende Prognostik und Modellrechnung;

d. einen Länderausgleich bei den Ausbildungskosten.

2. im Kreise der Konferenz der Kultusminister (KMK) in Abstimmung mit der Ebene des Bundes für die inhaltliche sowie administrative Ausgestaltung und kurzfristige Initiierung einer deutschlandweiten Kampagne im Rahmen einer Ausbildungsoffensive für Lehrberufe zu werben, die das Ziel verfolgt, die Zahl der Studienanfänger der Lehrämter in allen Bundesländern gleichermaßen zu steigern.

3. der Bremischen Bürgerschaft mindestens halbjährlich über den Fortgang des Ausgestaltungs- und Ratifizierungsprozesses des skizzierten Bildungsstaatsvertrags zu berichten.

Abb. (PDF): Sticker „Mehr Lehrkräfte“

04

Bundesmittel für Schulen fair verteilen und Bildungsgerechtigkeit herstellen! Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen:

Miriam Strunge, Sofia Leonidakis, Nelson Janßen und Fraktion Die Linke / Gönül Bredehorst, Mustafa Güngör und Fraktion der SPD / Christopher Hupe, Björn Fecker und Fraktion BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN

6.3.2023. Bildungserfolg hängt in Deutschland wesentlich vom sozialen und finanziellen Hintergrund des Elternhauses ab … Das Land Bremen hat sich daher entschieden, Schulen in schwierigen sozialen Lagen bei der Bewältigung der pädagogischen Herausforderungen besonders zu unterstützen. Bereits seit 2010 haben Schulen in benachteiligten Stadtteilen (je nach Sozialindex) kleinere Klassen. Seit 2016 weist die Zuweisungsrichtlinie des Landes auch Förderstunden anhand des Sozialindex den beiden Kommunen des Landes zu. Mit dem Haushalt 2018 wurden Kitas und Schulen mit besonderen pädagogischen Herausforderungen erstmalig insgesamt etwa 10 Millionen Euro zusätzlich zugewiesen, diese Mittel wurden seit dem Haushalt 2020/21 verstetigt. Schulen mit hohem Sozialindex werden bei der Vergabe von Stellen für Schulsozialarbeit zuerst berücksichtigt. Zum Schuljahr 2022/23 sind außerdem Doppelbesetzungen mit pädagogischen Fachkräften an den Grundschulen mit dem höchsten Sozialindex gestartet.

Bei Finanzhilfen des Bundes, die den Bundesländern zur Unterstützung von Investitionen im Bildungsbereich gewährt werden, findet jedoch die soziale Lage in den Bundesländern oder Kommunen keine Berücksichtigung. In der Praxis hat sich durchgesetzt, dass Finanzhilfen des Bundes anhand des 1949 entwickelten Königsteiner Schlüssels den Ländern zugewiesen werden. Der Königsteiner Schlüssel wurde ursprünglich entwickelt, um die Lasten bei gemeinsamen Finanzierungsaufgaben der Länder zu regeln und berücksichtigt daher das Steueraufkommen sowie Bevölkerungszahlen in den Ländern, um große und steuerkräftige Länder bei gemeinsamer Finanzierung stärker zu beteiligen als kleinere und finanzschwächere Länder. Durch eine Anwendung des Schlüssels auch auf Finanzzuweisungen ergibt sich dann aber die paradoxe Folge, dass steuerstarke Länder besonders berücksichtigt werden, finanzschwache Länder mit hoher Armutslage aber weniger Geld zugewiesen bekommen. Damit ist der Königsteiner Schlüssel kein adäquates Mittel, um der in Deutschland besonders großen Herausforderung zu begegnen, Kinder aus benachteiligten Elternhäusern intensiver zu fördern.

Daher entzündet sich zunehmend Kritik an der Art und Weise, wie Finanzhilfen des Bundes an die Bundesländer für Investitionen im Schulbereich vergeben werden. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. fordert, dass zukünftig ein Sozialindex bei der Mittelzuweisung an Schulen eine Rolle spielen muss. Diese Forderung wird auch von gewerkschaftlichen Stimmen erhoben, die bereits konkrete alternative Finanzierungsmodelle zum Königsteiner Schlüssel vorschlagen, bei denen andere Kriterien als Steueraufkommen und Bevölkerungszahl herangezogen werden. Die Bildungssenator:innen der drei Stadtstaaten haben bereits angekündigt, sich bei den laufenden Bund-Länder-Verhandlungen zum „Startchancen-Programm“, das sozioökonomisch benachteiligten Kindern und Jugendlichen bessere Bildungschancen ermöglichen soll, dafür einzusetzen, dass die Mittel hier nicht nach dem Königsteiner-Schlüssel, sondern nach sozialindizierten Kriterien zu verteilen.

Dass alternative Möglichkeiten zur Aufteilung von Finanzhilfen des Bundes möglich sind, bestätigt ein Kurzgutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages. In diesem heißt es, dass der Verteilschlüssel lediglich sachlich und rational nachvollziehbar sein müsse und die Zustimmung von Bund und Ländern finden müsse. Ein Kriterium wie die Sozialstruktur wird ausdrücklich als mögliche Grundlage zur Verteilung genannt.

Antrag: Die Bürgerschaft (Landtag) möge beschließen:

Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, eine Bundesratsinitiative zu initiieren, damit bei finanziellen Unterstützungen des Bundes für schulische Bildungsaufgaben der Länder (Art. 104c GG) künftig ein anderer Verteilmechanismus als der Königsteiner Schlüssel zwischen den Bundesländern angewendet wird. Ein neu zu definierender Vergabeschlüssel muss dabei eine Sozialkomponente enthalten, die Armutslagen, Anzahl von Familien in Bedarfsgemeinschaften oder ähnliche Parameter erfasst und Bundesländern, die vor besonderen sozialen Herausforderungen stehen, einen entsprechend höheren Anteil pro Schüler*in an den Bundesmitteln zuweist. Die Bundesländer können ihrerseits verpflichtet werden, diese gewichtete Mittelvergabe wieder bei der Zuweisung der Bundesmittel an Kommunen oder Schulen zu berücksichtigen. Der Bürgerschaft (Landtag) ist binnen sechs Monaten Bericht zu erstatten.