Politische Berichte Nr.02/2024 (PDF)23
Kalenderblatt

* 22-kalenderblatt-gb-labour-regierung-1924-weis-4.html * 23-kalenderblatt-labour-wahlplakat-1903-gehring-detscher-4.html

LABOUR AT THE GATE, 1903, Labour Party, PHM.

Rolf Gehring, Brüssel, Eva Detscher Karlsruhe

LABOUR klopft heftig am Tor zum Parlament. Es geht gegen das Auspressen der Landarbeiter durch Pacht, Vorurteile, niedrige Löhne, Mieten und Lizenzgebühren und Misswirtschaft (eigene Übersetzung).

Das Plakat der Labour Partei ist zwar von 1903, die angeschlagenen Themenfelder weisen aber auf eine Zielsetzung weit über Verbesserung der Arbeitsbedingungen oder höhere Lohne hinaus und prägen die politische Ausrichtung für die Parlamentswahlen.

Zu den Wahlen 1923 hat Labour in einem Manifest die Politikfelder ihrer Forderungen zusammengefasst: gute Bezahlung, Berücksichtigung von Frauen und Kindern, Programm für Arbeitslose, Hilfe für die Landwirtschaft, Verhältnisse auf dem Land, Friede zwischen den Nationen (Politik der Internationalen Kooperation), Verteilung der Lasten aus dem Krieg auf stärkere Schultern, Dienstleistungen und Verbesserungen im Arbeitsschutz und bei der Arbeitssicherheit (über den gesamten Commonwealth), Alte, Waisen und Kinder versorgen, Pensionen für ehemalige Kriegsbeteiligte auszahlen, gleiche Rechte für Männer und Frauen allgemein und hinsichtlich politischer und juristischer Rechte, bei der Elternschaft und für gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit.

„Am Tor Klopfen“ kann auch als Kampf um Anerkennung, als Eintritt in die bürgerliche Gesellschaft gelesen werden. Labour formuliert schon in diesem frühen Plakat Anliegen der arbeitenden Klassen, kämpft um deren Anerkennung, um die Anerkennung als Vollbürger. Vor den bürgerlichen Revolutionen gab es lediglich in Ansätzen zwei Sorten von Arbeitsgerichtsbarkeit: Armenpolizei und die Zunftordnungen der Städte. Ihre Funktion war wesentlich Reglementierung, Einordnung und Unterordnung.

„Bis ins 18. Jahrhundert hinein und noch darüber hinaus hat das arbeitende Individuum keine eigene Existenz, keine Rechte und keine Sicherheiten, die sich auf seine Person bezögen.“*

Die bürgerlichen Revolutionen bringen dann zwar die Vertragsfreiheit, aber keine Besserung für die arbeitenden Klassen. Der freie Arbeitsvertrag ist und bleibt in der Tendenz absolute Unterordnung. Aber, als kollektives Wirtschaftssubjekt erfüllen die arbeitenden Klassen eine gesellschaftliche Funktion, produzieren öffentlichen Nutzen. Und der Kampf um Anerkennung ihrer sozialen Interessen im Betrieb, die letztlich vertragliche Regelung von immer mehr Aspekten wirkt über die Betriebsmauern hinaus.

„Der Arbeiter besetzt damit auf seine Weise – als Produzent – den öffentlichen Raum, wird darin zur juristischen Person. Er kann also dadurch, dass die Individualisierung des Arbeitsverhältnisses in dieser Form transzendiert wird, zum Rechtsgegenstand oder Rechtssubjekt werden. Das Arbeitsrecht besiegelt sein Bürgerrecht.“

Das Allgemeine an der Arbeit, die abstrakte Arbeit schafft einen kollektiven Akteur und wird Voraussetzung für das Arbeitsrecht und in der Folge die Sozialgesetzgebung.

Die Interessen der arbeitenden Klassen, nicht nur die als Beschäftigte eines Betriebes, sondern auch die gesellschaftlichen Interessen – das zeigt das frühe Plakat von Labour – finden Eingang in die gesellschaftlichen Debatten und den politischen Raum.

Abb: Wahlplakat, Quelle: From the Political Pipe to Devil Eyes: A History of the, British Election Poster from 1910-1997, Christopher Burgess, 15th January 2014, https://eprints.nottingham.ac.uk/27689/2/Christopher%20Burgess%20Thesis%20Vol.%20II.pdf

Quelle Programm: Archive of Labour Party Manifestos, http://www.politicalstuff.co.uk sowie: http://www.labour-party.org.uk/manifestos/1923/1923-labour-manifesto.shtml * Quelle Zitate: Robert Castel: Die Krise der Arbeit. Hamburg 2011