Politische Berichte Nr.2/2022 (PDF)04
Aktuell aus Politik und Wirtschaft

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Russischer Okkupationskrieg gegen die Ukraine

01 Dok: IPPNW-Pressemitteilung vom 4. Januar 2022
02 Dok: Elfte Notstandstagung, Resolution der UNO-Generalversammlung, verabschiedet am 7. April 2022 Aussetzung der Mitgliedschaftsrechte der Russischen Föderation im Menschenrechtsrat

Christoph Cornides, Mannheim

Mit Stand vom 10. April 2022 berichtet Tagesschau online: „Nach dem Abzug russischer Truppen vor Kiew sind nach ukrainischen Angaben weitere Opfer entdeckt worden. Laut Staatsanwaltschaft wurden bereits mehr als 1200 Leichen geborgen. In 5600 Fällen werde wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen ermittelt.“

Bereits am 7. April hatte die UNO-Generalversammlung in Fortsetzung ihrer elften Notstandssondertagung – auf der am 2. März 2022 der völkerrechtswidrige Angriff der Russischen Konföderation auf die Ukraine mit großer Mehrheit verurteilt worden war (siehe Beilage zu dieser Ausgabe) – auch die „schwere(n) und systematische(n) Menschenrechtsverletzungen und -übergriffe sowie Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht“ Russlands verurteilt. Auf Betreiben insbesondere der USA, Großbritanniens und der G7-Staaten wurde u.a. beschlossen, „die Mitgliedschaftsrechte der Russischen Föderation im Menschenrechtsrat auszusetzen“. (siehe Dokumentation der Resolution, S. 5)

Diese Resolution erhielt in der 193-köpfigen Versammlung eine Zweidrittelmehrheit der Stimmen bei Abzug der Enthaltungen. 93 Staaten stimmten dafür und 24 dagegen stimmten, darunter Russland, China, Kuba, Nordkorea, Iran, Syrien, Vietnam. 58 Staaten enthielten sich bei der Abstimmung. Dazu gehörten Indien, Brasilien, Südafrika, Mexiko, Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Jordanien, Katar, Kuwait, Irak, Pakistan, Singapur, Thailand, Malaysia, Indonesien und Kambodscha. (Nach Bericht des regionalen Informationszentrums der Vereinten Nationen). (Abstimmungsergebnis bei der Resolution vom 2.4.2022: 141 dafür, 5 dagegen, 34 Enthaltungen).

Die Verletzungen des humanitären Völkerrechts durch Russland, die die UN-Vollversammlung klar als solche benennt, sind somit auch eine deutliche Unterstützung für die Aufklärung und Verfolgung von Kriegsverbrechen durch den internationalen Gerichtshof (IGH Gericht der Vereinten Nationen) und den internationalen Strafgerichtshof (IStGH), dessen Basis ein internationaler Vertrag ist und an dem im Unterschied zum IGH nicht Staaten, sondern Einzelpersonen angeklagt werden.

Wie sich immer mehr auch hier abzeichnet, sind solche Kriegsverbrechen selbst Teil der Kriegsführung, einer Kriegsführung, die gegenwärtig immer mehr zu einer bewaffneten Grenze vom Nordkap bis zum Schwarzen Meer zwischen den Nato-Staaten und der Russischen Konföderation führt. An dieser bewaffneten Grenze stehen sich Staaten und Allianzen gegenüber, die – soweit sie wie USA, Russland, Großbritannien, Frankreich über Atomwaffen verfügen – alle nicht auf die Option zum atomaren Erstschlag verzichtet haben. Die UdSSR hatte auf die Option, Atomwaffen zuerst einzusetzen verzichtet. Diesen Verzicht hat aber Russland nach der Auflösung der UdSSR ausdrücklich nicht erneuert. Im Gegenteil, Putin hat jetzt im Verlauf des Okkupationskrieges gegen die Ukraine mit dem Einsatz von Atomwaffen gegen die Nato-Staaten gedroht.

Das sind gleichzeitig aber auch „Vorlagen“ für die „Strategiediskussionen“, die Nato und EU-Staaten führen. In Deutschland will die Bundesregierung eine „Neue Sicherheitsstrategie“ (NSS) vorlegen, in der EU wird ein „strategischer Kompass“ geplant, und die bestimmende Blaupause soll auf dem regulären Nato-Gipfel im Juni 2022 mit der Entscheidung zur Umsetzung der Reformagenda „Nato 2030“ getroffen werden. Eines ihrer Kernelemente wird die „Aufrüstung zur Abschreckung“ an der „Ostflanke“ sein. Die Nato arbeite nach Angaben ihres Generalsekretärs Jens Stoltenberg an Plänen für eine ständige Militärpräsenz an ihren Grenzen. „Was wir jetzt sehen, ist eine neue Realität, eine neue Normalität für die europäische Sicherheit“, so Stoltenberg auf dem letzten Nato-Sondergipfel. Die Nato befände sich in einer „grundlegenden Umgestaltung“.

Dagegen sollten sich die Linke und die Friedensbewegung nicht nur, aber auch auf jeden Fall mit der Forderung auf den Verzicht zum atomaren Erstschlag stellen, wozu es auch Ansätze in der amerikanischen Zivilgesellschaft gibt (siehe Erklärung der IPPNW in den USA).

01

Dok: IPPNW-Pressemitteilung vom 4. Januar 2022

Die „IPPNW Deutschland – Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.“ fordert einen Stopp der Aufrüstung von Atomwaffensystemen und veröffentlicht den Text des offenen Briefes der amerikanischen Sektion der IPPNW

Offener Brief an US-Präsident Joe Biden von der US-Sektion der IPPNW (PSR)

Sehr geehrter Präsident Biden,

Sie setzen sich seit langem dafür ein, dass Atomwaffen nicht mehr ihre bisherige Rolle in der nationalen Sicherheitspolitik der USA spielen sollten. Zusammen mit Präsident Putin haben Sie das Reagan/Gorbatschow-Prinzip bekräftigt, dass „ein Atomkrieg nicht gewonnen werden kann und niemals geführt werden darf“. Diese Aussagen bleiben nur Worte, wenn sie nicht von Taten untermauert werden. Heute ist das Risiko eines Atomkriegs, sei es durch Absicht, Unfall oder Cyberangriff, weitaus größer als während des Kalten Krieges. Papst Franziskus hat gesagt: „Die Nutzung der Atomenergie zu Kriegszwecken ist unmoralisch, genauso wie der Besitz von Atomwaffen unmoralisch ist“, und er fügte hinzu: „Wir werden danach beurteilt und gerichtet werden.“ Als Ärzte, Angehörige der Gesundheitsberufe und besorgte Bürger wissen wir, dass es keine angemessene Antwort auf einen nuklearen Angriff gibt. Die einzige Möglichkeit, dieses Risiko zu beseitigen, ist die vollständige Abschaffung von Atomwaffen. Unsere Zukunft erfordert jetzt mutiges Handeln, um dieses zunehmende Risiko eines Atomkriegs zu verringern. Die von Ihrer Regierung durchgeführte Überprüfung, welche Rolle Atomwaffen derzeit in der US-Sicherheitsstrategie spielen, muss anerkennen, dass Atomwaffen uns nicht sicher machen, dass ihr Fortbestehen die größte Bedrohung für unsere Zukunft darstellt, und dass unsere höchste Priorität die weltweite Beseitigung dieser Waffen sein muss. Wie in der Kampagne zur Verhinderung eines Nuklearkrieges der Ärzte für soziale Verantwortung erklärt, müssen die USA eine Vorreiterrolle übernehmen, indem sie aktiv eine überprüfbare Vereinbarung zwischen atomar bewaffneten Staaten anstreben, um ihre nuklearen Arsenale zu beseitigen. Dabei drängen wir auf die folgenden Sofortmaßnahmen:

Unterzeichnet, (es folgen über tausend namentliche genannte Unterzeichnungen)

(Eigene Übersetzung, C. Cornides)

Quelle und Link zum Offenen Brief im am. Originaltext: https://www.ippnw.de/atomwaffen/atomwaffenpolitik/usa/artikel/de/aerzteorganisation-fordert-einen-stop.html

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Dok: Elfte Notstandstagung, Resolution der UNO-Generalversammlung, verabschiedet am 7. April 2022

Aussetzung der Mitgliedschaftsrechte der Russischen Föderation im Menschenrechtsrat

Die Generalversammlung,

unter Hinweis auf ihre Resolution 60/251 vom 15. März 2006, insbesondere Ziffer 8, in der sie feststellt, dass die Generalversammlung die Mitgliedschaftsrechte eines Mitglieds des Menschenrechtsrats, das schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen begeht, aussetzen kann,

  1. beschließt, die Mitgliedschaftsrechte der Russischen Föderation im Menschenrechtsrat auszusetzen;
  2. beschließt außerdem, die Angelegenheit nach Bedarf zu überprüfen;
  3. beschließt ferner, die elfte Notstandssondertagung der Generalversammlung vorläufig zu vertagen und den Präsidenten der Generalversammlung zu ermächtigen, die Tagung auf Antrag von Mitgliedstaaten wiederaufzunehmen.

Quelle: Deutscher Übersetzungsdienst der Vereinten Nationen, https://www.un.org/Depts/german/gv-notsondert/ar-es-11-3.pdf