Politische Berichte Nr.3/2022 (PDF)25a
Globale Debatten - UN Initiativen

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Ukrainische Orthodoxe Kirche erklärt „volle Unabhängigkeit“

Edda Lechner, Norderstedt

Die Orthodoxie ist zurzeit „auf Weltebene“ eine zerstrittene Kirche. Ursprünglich ist sie in den ersten Jahrhunderten des Christentums in Jerusalem, Antiochien und Alexandria entstanden und hat sich von dort über den Balkan in verschiedene Regionen Europas und Asiens verbreitet. Dabei hat sie sich im Widerspruch zu der wachsenden Konkurrenz durch das römisch-katholische Papsttum mit viel Affinität den jeweils vorhandenen Staaten angepasst. Stets hat sie dabei eine nationale und theologische Selbständigkeit angestrebt, die bis heute von der orthodoxen Zentrale in Konstantinopel (Istanbul) als sogenannte „Autokephalie“ zugestanden werden musste.

Im Januar 2019 erreichte die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) in der staatlich unabhängig gewordenen Ukraine nach langjährigen Auseinandersetzungen mit dem Oberhaupt der orthodoxen Zentrale in Istanbul, Bartholomäus I., diese Autokephalie und damit ihre Unabhängigkeit vom Moskauer Patriarchat. Harte Auseinandersetzungen zwischen dieser neuen selbstständigen und der alten an Moskau orientierten Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) folgten. Gegen ihre Erwartungen verließen aber nicht allzu viele Mitglieder und Gemeinden die alte UOK, um in der neuen OKU Fuß zu fassen. Der von Moskau bestimmten orthodoxen Kirche wurde dies als „Verfolgung“ angelastet, sie behindere systematisch Übertritte.Der Angriffskrieg der Russischen Föderation gegen die Ukraine hat diesen Konflikt zusätzlich politisch angeheizt, so dass sich dort die Orthodoxie selbst in einem quasi militärisch ausgetragenen Krieg befindet. Dies möchten nun beide ukrainischen Orthodoxen Kirchen beenden. Die wiederholt religiöse Rechtfertigung des Angriffskrieges gegen die Ukraine durch die Leitung der Russisch-Orthodoxen Kirche in Moskau unter ihrem Patriarchen Kyrill stößt inzwischen so sehr auf Widerspruch, dass auch die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK), die verwaltungsmäßig unter der Hoheit von Moskau steht, jetzt auf einem Konzil am 27. Mai 2022 Änderungen an ihrem Statut vorgenommen hat, „welche die volle Unabhängigkeit und Autonomie der UOK bezeugen“. Das bedeutet mithin die Loslösung von ihrer bisherigen Leitung in Moskau.

„Wir stimmen nicht mit der Position des Patriarchen Kyrill … zum Krieg in der Ukraine überein“, heißt es in einer Ansprache des Metropoliten Onufrij, dem Oberhaupt der Ukrainischen Orthodoxen Kirche. Er betonte, dass die UOK die militärische Aggression Russlands seit dem Beginn der Invasion verurteilt und immer wieder dazu aufgerufen habe, das Blutvergießen zu beenden. Es seien bereits mehr als 80 Gotteshäuser der UOK zerstört worden. Das Konzil appellierte „an die Behörden der Ukraine und der Russischen Föderation, den Verhandlungsprozess fortzusetzen“.Die Reaktion des Moskauer Patriarchen Kyrill ließ nicht lange auf sich warten. In seiner Sonntagspredigt vom 29. Mai beschwor er die einstige Einheit zwischen der Moskauer und der Ukrainischen Kirche in den Zeiten der Kiewer Rus, des Zaren, sowie der Kiewer und Moskauer Fürsten. „Dann aber kam dieser Herr oder Genosse (gemeint ist Lenin) daher und liquidierte das einheitliche Land, indem er auf dem Territorium der historischen Rus unabhängige Staaten schuf… Wir wissen, dass die Folgen dieser schrecklichen Entscheidung sich bis heute auf unser aller Schicksal auswirken – der Menschen, die in der Russländischen Föderation, in der Ukraine, in Belarus und an anderen Orten wohnen. Doch das großartige Land, die Hochburg der Orthodoxie, die Kraft, die alle anderen Kräfte aufwiegt, wurde durch diese schrecklichen historischen Entscheidungen geschwächt, … deshalb stehen wir heute wieder Auge in Auge mit neuen Problemen, die damit zusammenhängen, dass man erneut gefährliche Versuche unternimmt, unser Vaterland zu schwächen.“ Er will offensichtlich, dass diese kirchlichen und politischen Probleme bereinigt werden, indem der Krieg gegen die Ukraine weitergeführt wird.

Quelle u.a.: Nachrichtendienst Östliche Kirchen (NÖK)

Abb. (PDF): Patriarch Kyrill auf einer Sitzung des Bischofsrates der Moskauer Metropolie am 8. Juni 2022, Foto von Sergey Vlasov © Pressedienst des Patriarchen von Moskau und ganz Russland