Politische Berichte Nr.5/2022 (PDF)10
Aktionen-Initiativen

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Aktionen/Initiativen: Solidarisch durch die Krise!

Thorsten Jannoff, redaktion, Gelsenkirchen

Die vorliegenden Aufrufe und Statements beziehen sich in ihrer Kritik größtenteils auf das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung von Anfang September. Sie konnten noch nicht die Ankündigung vom 29. September berücksichtigen, einen sogenannten Abwehrschirm in Höhe von 200 Milliarden Euro gegen die steigenden Energiepreise zu errichten. Zumal die konkreten Maßnahmen zur Umsetzung der darin vorgesehenen Strom- und Gaspreisbremsen erst noch von einer Kommission bis spätestens Mitte Oktober erarbeitet werden müssen.

01 Bündnis SolidarischerHerbst www.solidarischer-herbst.de
02 Hände hoch für bezahlbaren Wohnraum www.mieterbund.de.
03 Brandbrief: Der Paritätische warnt vor Insolvenzwelle im Sozialen www.der-paritaetische.de
04 Konkrete Punkte, die getan werden müssten, um die Armen zu entlasten tacheles-sozialhilfe.de
05 Entlastungspaket 3: Versprechen für die Zukunft, jedoch keine Entlastung für die Ärmsten www.volkssolidaritaet.de
06 Der Kanzler darf sozial Benachteiligte nicht ignorieren www.sovd.de

01

Bündnis SolidarischerHerbst

www.solidarischer-herbst.de Berlin, 30.9.2022. In diesem Herbst treffen uns die Folgen von Putins Angriffskrieg mit voller Wucht: Viele von uns wissen nicht, wie sie Gas- und Stromrechnung bezahlen sollen. Etliche haben sogar Angst, ihre Wohnung zu verlieren und vom gesellschaftlichen Leben weiter ausgeschlossen zu werden – weil alles teurer wird, Löhne und Transferleistungen reichen nicht mehr aus. In dieser Krise stehen wir solidarisch an der Seite der Ukraine. Doch wir brauchen jetzt eine solidarische Politik auch bei uns, die gleichzeitig die Weichen stellt, um die Abhängigkeit von fossilen Energien zu beenden.

Für Millionen Menschen braucht es in dieser Krise verlässliche Entlastungen, Unterstützung und soziale Sicherheit, um nicht auf der Strecke zu bleiben. Gleichzeitig drohen die langfristigen Klima- und Umweltkrisen ins Hintertreffen zu geraten. Wir können es uns nicht leisten, Investitionen aufzuschieben, die uns endlich unabhängig machen von fossilen Energien und unsere bedrohten Lebensgrundlagen schützen – vom Klima bis zur Artenvielfalt. Die Regierung darf Soziales und Ökologisches nicht gegeneinander ausspielen. Sie muss beides anpacken, damit wir alle sicher durch diese Krise kommen.

Solidarische Politik heißt auch: Um diese Anstrengungen zu finanzieren, müssen all jene beitragen, die es sich leisten können. Wie schon in der Corona-Pandemie sind die Vermögen der Reichsten noch gewachsen, viele Konzerne und Banken fahren gewaltige Übergewinne ein. Die Ampel muss Vermögende und Krisengewinnler zur Solidarität verpflichten und endlich angemessen belasten – damit der Staat gezielt entlasten und in unsere Zukunft investieren kann.

Ob es in diesem Winter gelingt, unsere Gesellschaft vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren und gleichzeitig die klimapolitischen Weichen zu stellen – das hängt entscheidend davon ab, wie viel Solidarität die Ampel einzufordern bereit ist. Sie hat es in der Hand, wie dieser Winter wird: Einer der Verzweiflung und Wut. Oder einer mit neuer Zuversicht für eine sozial gerechtere, ökologische und lebenswerte Zukunft.

Bisher wird in der Ampel ein konsequenter, solidarischer Wandel blockiert. Das wollen wir ändern. Gemeinsam gehen wir auf die Straßen – für solidarische Politik und Klimaschutz, gegen Spaltung und Hetze! Mit Tausenden Menschen in sechs Städten fordern wir am Samstag, den 22. Oktober …

● … zielgerichtete Entlastungen für jene, die Unterstützung dringend brauchen: einen Mietenstopp, ein höheres Bürgergeld, eine 500-Euro-Brutto-Soforthilfe, eine bezahlbare Nachfolge für das 9-Euro-Ticket und einen Schutzschirm für die Daseinsvorsorge – von Stadtwerken und Schulen bis zu Krankenhäusern und sozialen Einrichtungen.

● … eine Gesamtstrategie für eine nachhaltige, bezahlbare Grundversorgung: Energie, Mobilität, Ernährung und Wohnen sowie soziale und kulturelle Teilhabe muss für alle bezahlbar sein.

● … massive Investitionen, um uns für die Zukunft krisenfest zu machen: einen Schub für den naturverträglichen Ausbau Erneuerbarer Energien, dauerhafte Energieeinsparungen und Gebäudesanierung, groß angelegter Ausbau klimafreundlicher Infrastruktur wie dem öffentlichen Nahverkehr und die Förderung der Ökologisierung der Landwirtschaft.

All diese Herausforderungen können wir nur stemmen, wenn wir eine grundlegende Wende in der Finanz- und Haushaltspolitik vornehmen. Dazu braucht es eine Übergewinnsteuer für Konzerne und eine Vermögensbesteuerung für die Reichsten – sowie ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse und ein Abbau klimaschädlicher Subventionen.

Das Bündnis #SolidarischerHerbst wird getragen von Campact, Verdi, BUND, dem Paritätischen Gesamtverband, der Bürgerbewegung Finanzwende, Attac, Greenpeace, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und dem Bundesverband Volkssolidarität.

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Hände hoch für bezahlbaren Wohnraum

www.mieterbund.de. Die Preisspirale kennt nur eine Richtung – nach oben: Nebenkosten, Mieten, alles wird teurer und viele Menschen können sich das Wohnen nicht mehr leisten. Auf die prekäre Situation der Mieterinnen und Mieter macht die Kampagne Mietenstopp bei ihrem bundesweiten Aktionstag am Samstag, den 8. Oktober, aufmerksam. Unter dem Motto „Hände hoch für bezahlbaren Wohnraum“ sind in Städten in ganz Deutschland Aktionen mit der plakativen roten Mietenstopp-Hand geplant. Ziel der Kampagne: die Mieten sollen bundesweit für sechs Jahre eingefroren werden. Während der sechs Jahre Atempause müssen dringend nötige Reformen angegangen werden: So braucht es etwa deutlich mehr Neubau von bezahlbaren Mietwohnungen und ein soziales Bodenrecht – denn immer weiter steigende Bodenpreise führen zu steigenden Mieten. Bund, Länder und Kommunen müssen sich außerdem wieder verstärkt ihrer Verantwortung als Anbieter günstiger, öffentlicher Wohnungen bewusstwerden.

03

Brandbrief: Der Paritätische warnt vor Insolvenzwelle im Sozialen

www.der-paritaetische.de Es braucht einen Schutzfonds für soziale Einrichtungen und Dienste.

Berlin. In einem Brandbrief wendet sich der Paritätische Gesamtverband an die Politik und fordert die Einrichtung eines Schutzfonds zur Aufrechterhaltung der sozialen Infrastruktur. Die Problemanzeigen aus der Praxis angesichts explodierender Energiekosten seien alarmierend, warnt der Dachverband von über 10800 Organisationen. Einrichtungen und Dienste rechneten teilweise mit einer Verzehnfachung der Kosten für Gas und Strom und wüssten noch nicht, wie diese finanziert werden sollen. „Bund und Länder müssen unter Beteiligung der Wohlfahrtsverbände schnellstens an einen Tisch und einen Schutzfonds für soziale Einrichtungen und Dienste auf den Weg bringen. Es braucht in dieser Krise einen solchen Schutzfonds, um die soziale Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Anderenfalls droht das Wegbrechen einer elementaren Säule der Daseinsvorsorge mit verheerenden Konsequenzen für alle, die auf Hilfe, Beratung und Unterstützung angewiesen sind“, fordert der Verband.

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Konkrete Punkte, die getan werden müssten, um die Armen zu entlasten

tacheles-sozialhilfe.de Tacheles, Wuppertal. Politik und Verwaltung sollten hier genau aufpassen, denn das sind konkrete Vorschläge, wie außerhalb der fälligen deutlichen Erhöhungen der Regelleistungen, Sofortzuschlägen und einer Erhöhung der Zuverdienstgrenzen, die derzeit legale Kürzung unter das Existenzminimum angegangen werden muss bzw. kann.

a. Moratorium zu Wohnkostenlücken. Im Jahr 2021 wurden bei knapp 400 000 Haushalten, durchschnittlich 91 Euro pro Haushalt an Wohnkosten nicht gezahlt. In Berlin betrug die durchschnittliche Nichtübernahme 144,31 EUR, in Bayern 113,10 EUR pro gekürztem Haushalt im Monat. Bundesweit betrifft das rd. 400 000 Haushalte, Zahlen zum SGB XII gibt es gar nicht. Diese Kürzungen der Unterkunfts- und Heizkosten nach § 22 Abs. 1 S. 2 + 3 SGB II / § 35 Abs. 2 SGB XII müssen sofort zumindest für zwei Jahre ausgesetzt werden. Der Regelsatz ist ohnehin nicht ausreichend, da darf nicht weiter gekürzt werden.

b. Aufrechnungsmoratorium. Im SGB II sollen und müssen sogar Forderungen aufgrund von gewährten Darlehen oder Erstattungs- und Ersatzansprüchen in Höhe von 10 oder 30 % des Regelsatzes aufgerechnet werden. Das bedeutet also 44,90 EUR bis 134,70 EUR (§ 42a Abs. 2 SGB II/§ 43 Abs. 2 SGB II) weniger. Diese Kürzungen müssen in der Zeit der Krise aufgegeben werden.

c. Moratorium zur Eintreibung von Schulden. Forderungen aufgrund von Erstattungs- und Ersatzansprüchen werden teilweise an die jeweiligen Forderungseinzugsstellen weitergegeben (§ 43 Abs. 1 S. 1 SGB II). Wenn diese Beträge dann dort nicht bedient werden können, entstehen weitere Mahn- und Vollstreckungskosten. Diese Forderungsweitergabe und Forderungsgeltendmachung sollten für zwei Jahre ausgesetzt werden.

d. Herausnahme der Haushaltsenergie aus den Regelleistungen. Derzeit ist die Position Haushaltsenergie mit 36,43 EUR in der Regelbedarfsstufe 1 im Regelsatz enthalten. Da die in den Regelleistungen festgesetzten Energiepreise in keiner Weise den Preisentwicklungen der jüngsten Vergangenheit Rechnung tragen und es nicht gelingen wird, die Stromabschläge aus den Regelsätzen zu tilgen, verweisen wir auf das zweite Regelsatzurteil des BVerfG vom 23.07.2014, 1 BvL10/12, unter Rn. 144, dass in einer solchen Situation kurzfristig durch den Gesetzgeber für Abhilfe zu sorgen ist. Daher ist die Haushaltsenergie aus den Regelbedarfen herauszunehmen und den Unterkunftskosten zuzuordnen. Damit würden den Maßgaben des BVerfG hinsichtlich Haushaltsenergie Rechnung getragen, die Mehrbedarfe für Warmwasser könnten gestrichen und es würde den Leistungsbeziehenden eine kurzfristige und dringend benötigte Hilfe zuteilwerden.

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Entlastungspaket 3: Versprechen für die Zukunft, jedoch keine Entlastung für die Ärmsten

www.volkssolidaritaet.de Die Volkssolidarität erkennt die Bemühungen der Bundesregierung an, für weitere Entlastungen für die Bevölkerung sorgen zu wollen. Insbesondere begrüßt sie, dass nunmehr auch die Rentner*innen mit einer Einmalzahlung von 300 Euro unterstützt werden sollen, wie es die Volkssolidarität in einer eigenen Petition gefordert hatte … Doch für andere notwendige Maßnahmen, die möglichst schnell greifen müssen, verweist das Entlastungspaket auf die Zukunft. Dabei ist zum Beispiel bei der Einführung einer Strompreisgrenze für einen Basisverbrauch schnellste Hilfe vonnöten. Doch die Entlastungswirkung entfaltet sich erst nach Einführung der Erlösobergrenze, die auf europäischer Ebene noch nicht geklärt ist. Es droht, dass die Preisdämpfung nicht nur für viele Haushalte, sondern auch für kleine und mittelständische Betriebe zu spät kommt, was besonders die zumeist kleinteilige ostdeutsche Wirtschaft treffen wird, wo viele dieser Unternehmen vor der Insolvenz stehen.

Überhaupt bleiben die Einkommensschwächsten der Gesellschaft, nämlich die Beziehenden von Grundsicherung, beim dritten Entlastungspaket der Bundesregierung unberücksichtigt. Sie werden auf das ‚moderne Bürgergeld‘ vertröstet, das ab Januar 2023 eingeführt werden soll. Ein wirklich neues und modernes Bürgergeld, welches Hartz IV ablösen soll, muss ein fair berechnetes soziokulturelles Existenzminimum sichern. Dafür reichen die avisierten monatlichen 502 Euro nicht aus. Die Volkssolidarität fordert erneut die Anhebung des Regelsatz auf mindestens 678 Euro. Die Erhöhung des Kindergeldes um 18 Euro und des Kinderzuschlages um 21 Euro monatlich ist als Unterstützung der besonders stark belasteten Familien ein wichtiger Schritt. Dr. Uwe Klett macht jedoch deutlich: „Die Aufstockung entspricht gerade einmal dem Inflationsausgleich und kommt wieder nicht den ärmsten Kindern und Jugendlichen im Grundsicherungsbezug zugute.“ Die Volkssolidarität als größter ostdeutscher Wohlfahrtsverband kritisiert insbesondere, dass die Einrichtungen und Dienste für Gesundheit, Pflege und Eingliederung überhaupt kein Thema für das Entlastungspaket waren. Diese stehen im stationären und ambulanten Bereich vor dem riesengroßen Problem der Mehrausgaben aufgrund von massiv gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen. Es besteht die Gefahr, dass im Rahmen von Einsparmaßnahmen die Nutzung stromverbrauchender Geräte und somit die Hilfe und Teilhabemöglichkeiten für Pflegebedürftige eingeschränkt werden. Zudem drohen die Eigenanteile weiter zu steigen, wodurch noch mehr Menschen auf Sozialhilfe angewiesen sein werden.

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Der Kanzler darf sozial Benachteiligte nicht ignorieren

www.sovd.de Berlin. Vor über einem Monat hat der Sozialverband Deutschland (SoVD) in einem breiten Bündnis mit dem Sozialverband VdK, der Tafel Deutschland und dem Deutschen Mieterbund in einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz zu einem Sozialgipfel aufgefordert. Neben Arbeitgebern und Gewerkschaften bei der sogenannten konzertierten Aktion müssen aus Sicht der Bündnispartner dringend auch die am stärksten Betroffenen der Krise gehört werden. Nun kam Post aus dem Bundeskanzleramt, die die Vorstandsvorsitzende des SoVD, Michaela Engelmeier aber enttäuscht: „Der Bundeskanzler hat unsere Forderung nach Anhörung der sozial benachteiligten Menschen auf einem Sozialgipfel ignoriert. Deutschland braucht diesen Gipfel – und zwar bald. Wir werden deshalb mit den anderen Bündnismitgliedern besprechen, nun gegebenenfalls einen eigenen Sozialgipfel ins Leben zu rufen.

Abb. (PDF): Logo „Solidarischer Herbst“

Abb. (PDF):Plakat „Gaspreisdeckel“. www.dielinke-bremen.de