Politische Berichte Nr.1/2023 (PDF)15
Aus Kommunen und Ländern

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„Das ist ein Riesenschritt“

Interview mit Katrin Brandt, Geschäftsführerin des alternativen Bauträgers Stattbau Hamburg, Stadtentwicklungsgesellschaft mbH. Die Fragen stellte Gaston Kirsche

War jetzt der richtige Zeitpunkt für die Volksinitiative „Keine Profite mit Boden & Miete“?

Naja, hätte ja auch früher kommen können, etwa als unter dem CDU-Schillpartei-FDP-Senat die Förderung des sozialen Wohnungsbaus massiv zusammengestrichen wurde, als die Förderung von 30 auf 15 Jahre gekürzt wurde oder bevor das mehrere Quadratkilometer große Holstenareal nicht von der Stadt Hamburg, sondern einem Investor gekauft wurde.

Wenn es lange Förderbindung und Grundstücke in städtischer Hand die letzten 30 Jahre über gegeben hätte – wie anders hätte Vieles aussehen können. Dann hätten wir heute nicht diesen starken Abbau von geförderten Wohnungen, die aus den kurzen Förderbindungen in den frühen 2000ern resultieren und wir hätten eine viel bessere Situation für die vordringlich Wohnungssuchenden als heute. Aber es ist ja nie zu spät.

Die Volksinitiativen hatten eigentlich einen schlechten Zeitpunkt für ihre Aktion, weil sie für die Öffentlichkeitsarbeit auf der Straße in Coronazeiten denkbar schwierige Bedingungen hatten, umso mehr ist das Durchkommen der Volksinitiativen als Erfolg zu bewerten.

Durch welche spezifischen Hamburger Bedingungen ist jetzt die Einigung möglich geworden?

Ich denke ein Faktor war selbstverständlich die Situation am Holstenareal, die allen gezeigt hat, wie schwierig es ist, wenn solche Flächen durch einen privaten Investor entwickelt werden und wie sehr die Stadt dann doch am kürzeren Hebel sitzt. Es ist ja auch für alle sehr merkbar, wie wichtig es ist, dass günstige, geförderte Wohnungen auch langfristig günstig bleiben. Das ist beides glaube ich auch in der Politik und in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen tatsächlich angekommen.

Es ist natürlich auch ein Erfolg der Initiativen, dass sie das durchsetzen konnten.

Warum ist die Einigung mit SPD und Grünen ein Erfolg?

Den größten Erfolg sehe ich in der Entscheidung grundsätzlich städtische Flächen nicht zu verkaufen. Es gibt Ausnahmen, aber die müssen politisch diskutiert und explizit beschlossen werden. Das ist ein Riesenschritt und ein wirklicher Riesenerfolg.

Wird die Umsetzung nicht schwierig?

Ich bin gespannt, wie eine hundertjährige Bindung im Konkreten umgesetzt wird. Ich glaube, dass die Bauherr*innen, die wir betreuen, Baugemeinschaften, Stiftungen, Kirchen, Genossenschaften ja alle grundsätzlich dauerhaft Ihre Wohnungen günstig zur Verfügung stellen wollen und dieses Modell möglicherweise auch umsetzen werden. Wir werden uns also auf jeden Fall damit beschäftigen.

Eine Planung über 100 Jahre ist ja extrem schwierig, gerade auch, wenn die Förderung zugleich, so habe ich es verstanden, nur für 50 Jahre läuft und dann endet. Danach müssen Sanierungen und Modernisierungen, die es dann ja vermutlich auch geben wird, ohne eine Förderung finanziert werden. Da habe ich Fragen, wie das konkret gehen wird. Ich denke aber, dass das funktionieren kann.

Naht jetzt wirklich der Kommunismus wegen der Orientierung auf Grundstücksvergabe nach Erbbbaurecht, wie die CDU behauptet?

Nein, das ist doch kein Kommunismus. Schau doch mal in die Schweiz oder nach Österreich, die sind ja auch nicht kommunistisch. Es ist ja auch nicht so, dass man nur Erbbaurechte vergeben muss, und dann wird die diverse, offene, gerechte, lebendige Stadt entstehen.

Da ist ja trotzdem noch die Frage: Was kostet das Erbbaurecht, wie lange wird es gewährt?

Und dann die Frage: wer kriegt welche Grundstücke und was entsteht darauf? Das muss deshalb noch lange nicht gemeinwohlorientiert sein, sondern kann trotzdem profitorientiert sein. Das Erbbaurecht ist nur eine Stellschraube von vielen. Hinzu kämen: Partizipation, Konzeptvergaben, Orientierung auf gemeinwohlorientierte Nutzungen und so weiter.

Und was ist mit den in Hamburg traditionell großen Baugenossenschaften?

Von denen gibt es großen Protest. Den muss man auch ernst nehmen. Sie haben etwa Bedenken, was bei dem Ablauf der Erbbauzeit passiert.

Zum Beispiel: Es gibt ein vergünstigtes Erbbaurecht zu sagen wir einmal 1,5 Prozent Erbbauzins. Dabei ist der dem Zins zugrundeliegende Grundstückswert reduziert, weil gefördert gebaut wird. Das ist ja bereits so, also zum Beispiel statt aktuell 1500 Euro ein Grundstückswert von maximal 600 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Wenn das Erbbaurecht ausläuft, kann es verlängert werden. Allerdings ist dann die Grundlage für den neuen Erbbauzins der dann gültige Grundstückswert. Das sind Steigerungen um mehrere 100 Prozent! Weit mehr als die inflationäre Steigerung, die meist mitgeführt wird. Auf einen Schlag steigen so die Nebenkosten um ein Vielfaches für das alte Haus. Diese werden üblicherweise auch noch an die Mieter weitergegeben. Das kann echt katastrophal sein. Dafür muss eine sichere Lösung gefunden werden. Also beispielsweise die Festschreibung des Grundstückswertes auch bei Verlängerung, wenn die Bindung weitergeführt wird.

Hat die Einigung der Volksinitiative „Keine Profite mit Boden & Miete“ mit SPD und Grünen Auswirkungen auf Stattbau und Wohnprojekte?

Aber klar. Für unsere kleingenossenschaftlichen und Mietshäusersyndikatsprojekte ist das Erbbaurecht sowieso gut. Sie wollen Ihr Grundstück nicht irgendwann versilbern, sondern sind ja interessiert daran, dort dauerhaft günstigen Wohn- und gewerberaum zu erhalten und diesen der Spekulation zu entziehen. Außerdem spart für eigenkapitalschwache Bauherren das Erbbaurecht Geld. Für das Grundstück muss so kein Eigenkapital, was eh sehr knapp ist, oder Darlehen aufgenommen werden.

Danke für das Interview!

Abb.(PDF): Katrin Brandt ist in Hamburg aufgewachsen, studierte Architektur in Kassel und arbeitete seit 2000 als Architektin in Hamburg. Seit 2014 ist sie bei Stattbau Hamburg, zunächst im Bereich Projektentwicklung und Baubetreuung, seit Ende 2019 zusätzlich in der Geschäftsführung. Foto: Stattbau Hamburg.

Abb.(PDF): https://stattbau-hamburg.de/selbstverstaendnis/ … Die STATTBAU HAMBURG GmbH versteht sich als Mittlerin und Unterstützerin für Baugemeinschaften und für gemeinwohlorientierte Träger, Institutionen und Initiativen bei der Umsetzung von hauptsächlich gefördertem Wohnungsbau und gemeinwohlorientierten Projekten …